„Im Islam ist Gewalt immer positiv besetzt“
Der deutsch-libanesische Regisseur Imad Karim über Fehler des Westens und Gefahren der Migration
Imad Karim ist vor 40 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland ausgewandert. Der Regisseur betrachtet Deutschland als die Heimat seiner Werte, die Flüchtlingswelle hält er für einen Angriff auf den freien Westen, den politischen Islam für eine der größten Bedrohungen. Mit seiner Is- lam-Kritik wird Karim immer wieder die Nähe zur rechtspopulistischen AfD vorgeworfen, die er vehement bestreitet. Im KURIER-Interview spricht er über die Fehler des Westens im Nahen Osten und warum die Integration von Muslimen immer schwieriger wird.
KURIER: Es gibt im Internet ein Video, das den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Nasser bei einer launigen Rede vor Parteikollegen zeigt. Dabei erzählt er, dass der Chef der Muslimbrüder von ihm verlangt hätte, Frauen dazu zu verpflichten, ein Kopftuch zu tragen. Alle Beteiligten im Saal fanden das sehr lustig. Imad Karim: Ich kenne das Video, das war Ende der Fünfzigerjahre. Ein Kopftuchzwang war damals völlig illusorisch. Heute gibt es kaum mehr ein islamisches Land, in dem Frauen kein Kopftuch mehr tragen. Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der arabischen Welt verändert?
Man hat bis in die achtziger Jahre in vielen arabischen Ländern geglaubt, dass man mit demokratischen und säkularen Mitteln die Gesellschaft verändern könnte. Diese Kräfte haben versagt. Was waren die Gründe dafür?
Der Kalte Krieg. Der Westen war nicht bereit, die dortigen demokratischen und säkularen Kräfte zu unterstützen. Man hatte Angst, dass sie sozialistische Regime errichten wollen, wichtige Ressourcen und Bodenschätze verstaatlichen und sich außenpolitisch dem kommunistischen Ostblock anschließen. Deshalb bekämpften sie die Progressiven und unterstützten die religiösen Parteien. 1979 wurde der Schah durch Chomeini gestürzt, im Iran wurde eine Islamische Republik ausgerufen. Als Antwort darauf hat die sunnitische Mehrheit, unterstützt von Saudi-Arabien und den Golfstaaten, eine Richtungsänderung eingeleitet. Das heißt, die strenggläubigen Kräfte haben als Antwort auf den Iran immer mehr Macht bekommen. Die säkularen Kräfte waren also zu schwach, um hier entgegenzuhalten?
Sie haben geglaubt, dass das nur eine vorübergehende Erscheinung ist, über vollverschleierte Frauen hat man sich in der Zeit zwischen 1978 und 1988 lustig gemacht. Später wurde das öffentliche Belächeln des Kopftuchs zu einer Lebensgefahr. Bis dahin haben sich die meisten so verhalten, wie sich jetzt die Mehrheitsgesellschaft in Österreich und Deutschland verhält. Sie haben aus einer Selbstsicherheit heraus – man möge meinen auch aus Arroganz – geglaubt, dass das nicht von Dauer sein kann, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann. Sie haben sich geirrt. Gegenwärtig treten die Probleme mit großer Vehemenz zu Tage, wie zum Beispiel der Krieg in Syrien, im Irak, im Jemen, die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.
Wir befinden uns mitten in der islamischen Inquisitionszeit. Im Grunde ist der nie unterbrochene Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten, aber auch unter den Sunniten selbst, wieder sichtbarer geworden. Der Westen trägt aber maßgeblich Mitschuld an der Situation im Nahen Osten.
Ja, aber die größte Schuld liegt an uns Arabern selbst. Wir haben nie gelernt, uns von den alten, verkrusteten, religiösen Vorstellungen zu befreien. Die Fähigkeit der Selbstreflexion ist eine Mangelerscheinung in unseren Gesellschaften. Und natürlich macht jede Einmischung des Westens es nur noch schlimmer. Der Westen soll sich einfach aus dieser Region raushalten. Kein Einsatz, sei es im Irak oder in Afghanistan, hat Frieden gebracht. Aber es ist doch naiv zu glauben, dass der Westen sich komplett aus dem Nahen Osten zurückziehen wird. Hier gibt es doch viel zu viele Eigeninteressen.
Der Westen hat nicht begriffen, dass jede Einmischung nur noch mehr Zerstörung bringt. Jede Einmischung betrifft auch das Innenleben der Gesellschaft hier im Westen, wir verlieren an Lebensqualität, an Freiheit und an Sicherheit. Es flüchten immer mehr Menschen, die wir nicht integrieren können. Warum sollen wir Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis, die bereits in ihren Ländern sozialisiert sind, in Europa „resozialisieren“um sie für die Integration fit zu machen? Das klingt von einem Araber, der selbst nach Europa ausgewandert ist, ziemlich hart.
Ich lebe seit 40 Jahren in diesem Land, ich sah Deutschland von Anfang an als die Heimat meiner Werte, weil ich bereits „integriert“angekommen bin. Von meiner „Sorte“gibt es viele, und dennoch sind wir eine Minderheit in unserem Kulturkreis. Dieses Deutschland möchte ich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verteidigen. Ich widerspreche den Eliten, die mir, „Fremdenliebe“auf Rezept verschreiben wollen. Das ist die gleiche Elite, die mit Saudi-Arabien Waffengeschäfte in Milliardenhöhe macht, aber mir vorschreiben möchte, dass ich Millionen fremde Menschen mit ih-
„Wir haben nie gelernt, uns aus den alten religiösen Vorstellungen zu befreien.“Imad Karim Regisseur
rem menschen-, frauen-, und homosexuellenverachtenden Weltbild als neue Nachbarn akzeptieren soll. Sie klingen wie auf einer Parteitagsrede der FPÖ oder AfD, das ist die Sprache der Rechtspopulisten. Zusammenfassend: Sie lehnen diese Einwanderungswelle komplett ab.
Was heute „rechts“oder „populistisch“ist, entscheidet nicht mehr der Duden, sondern eine Machtelite, die auch die Sprache vereinnahmt hat. Ich bin für eine strikt kontrollierte Einwanderung nach dem australischen Modell. Aber Sie übertreiben und polemisieren doch maßlos. In Österreich ist die Kriminalitätsrate trotz der Flüchtlingswelle nicht wirklich signifikant gestiegen.
Das stimmt einfach nicht, es gibt mehr Übergriffe und mehr Gewalt, ich kenne die Berichte. Menschen sind immer das Produkt der Gesellschaft, aus der sie stammen. Und Sie glauben doch nicht, dass Menschen aus Syrien und dem Irak, die seit Jahren nur mehr Chaos und Gewalt kennen, nicht einen anderen Zugang zu Gewalt haben? Sie wollen also alle wieder zurückschicken?
Ich bin für die Remigration, ich bin dafür, dass die Menschen wieder in ihre Heimat zurückgebracht werden. Aber das ist doch illusorisch.
Aber wir müssen damit anfangen, wir müssen sofort die Grenzen schließen, heute wollen 70 Millionen Menschen nach Europa. Wenn Sie den Nachrückern die gleichen Rechte verweigern, die Sie den bereits hier aufgenommenen 2,5 Millionen zugestanden haben, handeln Sie ungerecht. Wollen Sie alle aufnehmen? Und wir Araber haben trotz Billionen von hineingeflossenen Petrodollars versagt, eine moderne Gesellschaft aufzubauen. Wir sind dafür ganz alleine verantwortlich. Aber gestehen Sie Menschen nicht zu, dass sie für sich und ihre Familien alles unternehmen, um sich ihre Lebenssituation zu verbessern?
Ich wäre ein Narr und ein Selbstleugner, wenn ich den Menschen nicht das Recht zuordnen würde, dass sie sich ihr Leben verbessern. Völkerwanderung ist ein integraler Bestandteil unserer Zivilisationen, aber sie zu begrenzen oder/und zu steuern ist ebenfalls ein Bestandteil unserer Zivilisationen. Und wer das ignoriert, riskiert, dass Hochkulturen womöglich untergehen könnten. Wir reden von überwiegend muslimischen Migranten. Gehört der Islam zu Europa?
Nein, der Islam gehört nicht zu Europa. Muslime, die sich zu unserer Verfassung bekennen, gehören zu Europa. Aber all jene, die von einem europäischen Islam sprechen, liegen falsch. Auch Bassam Tibi (Anm. deutschsyrischer Politikwissenschaftler), der das vor Jahren forderte, hat das mittlerweile revidiert. Er sagt, er hätte sich geirrt, da sich nicht der liberale, sondern der gewaltverherrlichende Islam in Europa durchgesetzt hat. Und Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir im heutigen medialen Zeitalter die Muslime in Europa als singulär betrachten können, das ist naiv. Jeder weiß, dass Menschen, die auswandern, in der Fremde viel mehr an Traditionen festhalten als zuhause. Das heißt, die Menschen entdecken hier im freien Westen wieder ihre Religion?
Ich kenne viele Araber hier in Deutschland. In den Achtzigerjahren waren die westlich gekleidet, sie hatten Kontakt zu ihren Nachbarn, die Kinder spielten gemeinsam. Heute gehen sie in die Moschee, ihre Frauen tragen Kopftücher. Das klingt nach einem kompletten Versagen der Integration.
Die Probleme sind in der Religion angesiedelt. So wie wir Muslime sozialisiert wurden, sind wir alle tickende Zeitbomben. Meine Eltern im Libanon waren nicht gläubig, aber wenn wir andere Familienangehörige zu Festen besuchten, wurde dort gebetet. Und wissen Sie, was wir gebetet haben? Gott verfluche die Juden, Gott verfluche die Christen. Das steckt in unseren Köpfen von Kindesbeinen. Ich kenne hier Araber in Deutschland, die dieselben Gebete beten. Aber das westliche Lebensmodell bietet Freiheiten, die in den Herkunftsländern nicht einmal ansatzweise vorhanden ist.
Das westliche Lebensmodell ist heute viel labiler als vor 20 Jahren. Das Gendermainstreaming und andere ideologisch forcierten Vielfaltmodelle überfordern viele Menschen. Die heutige Liberalität erschwert den Muslimen, aber auch allen anderen religiös behafteten Menschen, die aktive Integration. Die Neuankömmlinge sind kulturell geschockt, wenn das Kind daheim erzählt, dass heute in der Schule gelehrt wurde, wie man ein Kondom überzieht. Das versteht nicht einmal ein gläubiger Christ. Also auch eine Rückkehr zur Religiosität durch Überforderung?
Absolut, sie scheitern an der liberalen Gesellschaft, sie haben nie gelernt für sich selbst zu bestimmen. Und wenn, dann müssen sie den Koran als Grundlage verwenden. Diese Menschen brauchen Halt und den finden sie im Koran. Wir unterstützen sie dabei und bemerken nicht, dass wir eine auf Isolation gerichtete Minderheit fördern. Aber es gibt doch genug muslimische Mitbürger, die das Gegenteil beweisen.
Die Menschen, die derzeit nach Europa kommen, tragen ein kulturelles Erbe mit sich, das mit dem westlichen Lebensstil nicht kompatibel ist. Es gibt hier auch andere Kulturen, wie die der Asiaten. Sie sind bereit, sich hier zu integrieren. Wenn sie hingegen aus einer muslimischen Familie ausbrechen wollen, werden sie verstoßen. Und wenn in ihrem muslimisch dominierten Stadtteil ihre Nachbarn wieder strenge Muslime werden, dann haben sie keine anderen Alternativen, als auch in die Moschee zu gehen und ihrer Frau zu sagen, dass sie jetzt ein Kopftuch tragen muss. Aber wir haben in Österreich und Deutschland mit wenigen Ausnahmen keine wirklichen muslimischen Viertel, wie zum Beispiel in Frankreich.
Ich kann Ihnen in Deutschland mittlerweile 100 No-Go-Areas nennen. Deutschland entwickelt sich zum besten islamischen Land der Welt. Hier kann der muslimische Vater verlangen, dass in der Schulkantine kein Schweinefleisch serviert wird oder er kann bewirken, dass Kreuze im Krankenhauszimmer abgehängt werden. Das ist Ihnen alles zu tolerant?
Sie können mir gegenüber aufrichtig tolerant sein, wenn Sie ein gesundes Verhältnis zum eigenen Ich haben und nicht aus einem Schuldgefühl handeln. Solche Toleranzformen haben ein geringe Halbwertzeit. Es ist unbestritten, dass man bei der Integration viele Fehler gemacht hat, aber was sollte man anders machen?
Wir sollten in Deutschland Grundgesetz Artikel vier neu definieren. Darin wird die uneingeschränkte Religionsfreiheit gewährleistet. Diese Freiheit heißt aber auch, dass man die Weltanschauung von Agnostikern respektiert. Ich will zum Beispiel nicht, dass Muslime auf der Straße offen beten. Wenn wir das Grundgesetz richtig interpretieren, können wir von den Muslimen verlangen, dass der politische Islam den öffentlichen Raum nicht einnehmen darf. Das muss in der Verfassung neu definiert werden. Also, Kopftuchverbot im öffentlichen Raum, Moscheen kontrollieren, islamistische Strömungen verbieten etc.?
Ja, aber das reicht noch lange nicht aus. Und ich un- terscheide nicht zwischen Muslimen und Islamisten. Es gibt nur einen Islam. Der Begriff Islamismus wurde vom Westen erfunden, ich kann den Islam streng oder light auslegen. Aber der Islam war nie friedlich, im Islam ist Gewalt immer positiv besetzt. Dafür sprechen die Erfahrungswerte der islamischen (Eroberungs)geschichte. Jetzt scheren Sie schon wieder alle Muslime über einen Kamm und pauschalieren.
In den Muslimen keimt immer der Wunsch, die Welt zu islamisieren. Nur Kulturmuslime, die ihre Religion nicht praktizieren, sind von meiner Aussage ausgenommen. Alle anderen folgen früher oder später dieser Maxime, sobald sich die objektiven Möglichkeiten ergeben. Hier bieten sich Vergleiche mit dem Christentum an, hier wurde auch missioniert, mit Abermillionen Toten.
Ja, aber das war vor 300 Jahren, der Islam hinkt Jahrhunderte nach. Die Muslime von heute sind die Christen vom 17. und 18. Jahrhundert. Wenn ich heute ein Bild von Mohammad male, egal ob negativ oder positiv, erklären mich Hundertmillionen Muslime zum Feind ihrer Religion. Wo wollen Sie Vergleiche ziehen? Aber gibt es nicht auch positive Entwicklungen? Wenn man Ihnen zuhört, klingt das alles sehr pessimistisch.
Pessimist? Nein, eher Realist. Ja, ich habe leider wenig Hoffnung. Wir werden diese Phase im Nahen Osten noch lange haben, vielleicht mehr als 50 Jahre – den blutigen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, aber auch zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Sie sind ein erfolgreicher Regisseur, warum lehnen Sie sich mit Ihrer Islamkritik so weit aus dem Fenster?
Ich hoffe, das war gerade keine Drohung. Nein im Ernst, wir Migranten begreifen eine gelungene Integration als Bekenntnis zu diesem Kulturkreis und seinen Werten. Wir müssen aufstehen und sagen: „Hört auf, auf diesem Land herumzutrampeln, und fangt endlich an, eure Werte zu verteidigen.“Mit meiner Kritik erfülle ich meine zivilisatorische Aufgabe. Das schulde ich der Freiheit und den kommenden Generationen.