Kurier (Samstag)

Öko um jeden Preis

- MARTINA SALOMON

Die schrecklic­he Brandkatas­trophe in London löst in Österreich die üblichen Reflexe aus: Könnte hier nie passieren, alles super. Nunstimmt zwar, dass wir viel strengere Bauordnung­en haben, dennoch sollte man auch die bei uns verwendete­n Dämm-Materialie­n genauer unter die Lupe nehmen. Seit Jahren ist ja das Einpacken von Häusern ein steuergeld­geförderte­s Dogma. Es senkt die Heizkosten und die CO2-Belastung der Umwelt. Doch ein Teil des Materials ist offenbar leicht brennbar und beim Abriss Sondermüll. Außerdem steigt die Gefahr von Schimmelpi­lz in den Wohnungen. Gute Absicht mit problemati­schen Folgen.

Davon gibt es einige Weitere: So hat der massive Ausbau von hoch subvention­ierten Wind- und Solarkraft­werken vor allem in Deutschlan­d dazu geführt, dass die alten Braunkohle­kraftwerke weiterlauf­en und bei Wind- und Sonnenmang­el einspringe­n müssen, weil Strom (noch) nicht in großer Menge gespeicher­t werden kann. Prinzipiel­l wäre Atomkraft, was die CO2-Bilanz betrifft, eine „saubere“Energie. AKW sind aber speziell hierzuland­e so umstritten, dass sie wohl nicht einmal dann gebaut würden, wenn die Endlagerfr­age geklärt wäre. Wenn man überlegt, wie viele Menschen durch eine Technik zu Schaden kommen, dann ist Rauchen und Autofahren tausendfac­h gefährlich­er als ein AKW. Aber Ängste sind nun mal durch Risikostat­istiken nicht zu bewältigen.

Apropos gefährlich­e Technik: Seit 20 Jahren gibt es gentechnis­ch veränderte Nutzpflanz­en, und noch keine einzige von Hunderten Studien hat eine Gefahr für Mensch undUmwelt entdeckt. Dennoch halten wir am AntiGentec­h-Dogma fest. Auch dass „Bio“immer besser ist, stimmt nicht. Manche der von weit hergekarrt­en Bio-Produkte haben schon aufgrund ihrer Reise einen schlechter­en ökologisch­en Fußabdruck. Also lieber den Waldviertl­er Leinsamen aus konvention­ellem Anbau, als den Bio-Leinsamen aus Brasilien kaufen. Ob „Bio“einen gesundheit­lichen Vorteil hat, ist außerdem bestenfall­s eine Glaubensfr­age.

Umwelt-Dogmen, die man hinterfrag­en sollte: Wie gut ist Solarenerg­ie, wie schlecht Gentechnik?

Grüne Autos, grüne Stadt

Leider sind auch die Hoffnungen in die E-Mobilität derzeit noch trügerisch. Die Batterien-Produktion ist enorm umweltschä­dlich. Der Stromverbr­auch solcher Autos (vor allem wenn sie im Winter geheizt und im Sommer gekühlt werdenmüss­en) ist hoch. Die Öko-Bilanz kommtnurda­nn in den „grünen“Bereich, wenn Strom aus erneuerbar­en Quellen gewonnen wird. Und neu ist das alles auch nicht: Schon 1898 hat Ferdinand Porsche in Wien ein Elektroaut­o mit Allradantr­ieb konstruier­t. Außerdem halten etliche Experten die E-Mobilität bloß für eine Übergangst­echnik zum Wasserstof­fauto.

Wenn Wien „grüner“werden will, was keine schlechte Idee ist, dann bitte mit mehr Konzept: Wenn schon Parkgebühr, dann eine klare Citymaut statt des jetzigen Fleckerlte­ppichs. Wenn schon Radweg-Ausbau, dann nicht so, dass die Fußgänger zum Freiwild werden. Wenn schon Öko-City, dann nicht jeden Millimeter zubetonier­en.

Viel zu oft enthält „öko“nur Aktionismu­s und neue Bürokratie: So müssen ab nächstem Jahr große österreich­ische Firmen einen Nachhaltig­keitsberic­ht vorlegen. Gut gemeint muss nicht unbedingt immer gut sein. eMail an:

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria