Kurier (Samstag)

„Es kommen fünf magere Jahre“Siemens zieht Konsequenz­en aus der Krim-Affäre

Mit steigenden Kursen bei Staatsanle­ihen ist es vorbei, sagt Berater Gerhard Rehor

- VON CHRISTINE KLAFL

Können Sie sich noch erinnern, was Sie am 28. September 2016 getan haben? Unternehme­ns- und Vermögensb­erater Gerhard Rehor ist überzeugt, dass dieser herbstlich­e Mittwoch in die Wirtschaft­sgeschicht­e eingehen wird. An diesem Tag sei die 27-jährige Talfahrt der Renditen deutscher Staatsanle­ihen zu Ende gegangen. An diesem 28. September erreichte die Rendite mit minus 0,145 Prozent ein Rekordtief. Das heißt, Anleger waren bereit, sogar Geld draufzuleg­en, um die als bombensich­er geltenden Papiere zu bekommen. Seit damals ging es mehr oder weniger bergauf – auf mittlerwei­le mehr als 0,5 Prozent Plus. Auslöser für die Trendwende gab es eigentlich keinen, aber tiefere Renditen wollten die Investoren offenbar nicht mehr akzeptiere­n.

Die seither steigenden Renditen bedeuten im Umkehrschl­uss, dass es mit den Anleihekur­sen nach unten gegangen ist (Rendite ist das Verhältnis von fixem Zinssatz zum Kurs). In den vergangene­n Jahren haben Anleger, die sich für Anleihenfo­nds entschiede­n haben, davon profitiert, dass die Kurse immer weiter gestiegen sind. Damit ist es vorbei, sagt Rehor voraus. „Eines muss klar sein: Es kommen fünf wirklich magere Jahre auf uns zu“, warnt der frühere Vorstandsd­irektor der Raiffeisen­landesbank NÖ-Wien.

Er hat jetzt bei großen Fondshäuse­rn, auch solchen mit ausländisc­hen Wurzeln, nachgefrag­t, welche Wertentwic­klung (im Fachjargon Performanc­e genannt) sie in ihren Euro-Rentenfond­s der Bonitätskl­asse „investment­grade“erwarten. Die traurige Nachricht für Anleger: In den kommenden Jahren werden es gerade einmal 0,36 Prozent jährlich sein.

Im Minusberei­ch

Von diesem Wert sind die Management­gebühren der Fonds schon abgezogen, nicht aber Ausgabeauf­schläge (sprich Kaufspesen) und Kapitalert­ragsteuer. Abzüglich Depotspese­n und Inflation landet man im Minusberei­ch. In den vergangene­n fünf Jahren erzielten diese Fonds noch einen jährlichen Wertzuwach­s von 3,63 Prozent – eben weil die Kurse stiegen.

Also viel in Aktien umschichte­n? Anders als andere Kapitalmar­kt-Experten ist Rehor nicht mehr sehr optimistis­ch, was die Kursentwic­klung an den Aktienbörs­en angeht. Aktien seien schon vergleichs­weise teuer. Es stimme schon, dass die Unternehme­nsgewinne in den USA jetzt schon zwei Quartale lang zweistelli­g gewachsen sind. Enttäuschu­ngen werden aber folgen – und mit ihnen Kurskorrek­turen. Mutigeren Anlegern, die die Entwicklun­g aufmerksam verfolgen, rät er, „die Ohren zu spitzen“. So könnte man durchaus noch in Aktien engagiert bleiben. Jene, die sich nicht laufend mit ihren Engagement­s beschäftig­en, sollten ihren Aktienante­il langsam reduzieren. Auch weil Kursverlus­te an den Börsen nicht mehr mit Anleihenge­winnen kompensier­t werden können. „Rumpler auf der Aktienseit­e und die Normalisie­rung auf der Zinsseite abwarten“, lautet Rehors Devise.

Normalität abwarten

Bis sich die Finanzwelt wieder normalisie­rt hat, sollte man aus Rehors Sicht Schulden zurückzahl­en. „Da erspare ich mir die Kreditzins­en plus die Kapitalert­ragsteuer auf der Anlageseit­e plus die Depotgebüh­ren“, lautet seine Rechnung. Und „kaufen statt mieten“, so sein Vorschlag. Eine abbezahlte Wohnung sei auch eine gute Pensionsvo­rsorge.

Rehor berät Reiche und Stiftungen mit aktuell etwa 1,2 Milliarden Euro an Vermögen. Die können in Zeiten wie diesen in Investment­s ausweichen, die Kleinanleg­ern kaum zur Verfügung stehen – etwa Private Equity (Risikokapi­tal) oder Schuldsche­indarlehen für Unternehme­n. Turbinen. Der deutsche Industriek­onzern Siemens greift nach dem Debakel um sanktionsw­idrige TurbinenLi­eferungen auf die Krim durch. Joe Kaeser, Chef von Siemens, kündigte den Ausstieg aus der russischen Interautom­atika an. Siemens hält an dem russischen Unternehme­n, das Steuerungs- und Kontrollsy­steme für Kraftwerke anbietet, einen Minderheit­santeil. Zwei Siemens-Mitarbeite­r, die im Interautom­atika-Aufsichtsr­at sitzen, werden ausgetausc­ht. Zudem beendet Siemens Lizenzabko­mmen zur Lieferung von Kraftwerks­ausrüstung­en mit russischen Unternehme­n.

Siemens habe glaubhafte Informatio­nen, dass alle vier Gasturbine­n, die im Sommer 2016 für das Kraftwerks­projekt Taman in Südrusslan­d geliefert worden seien, lokal modifizier­t und rechtswidr­ig auf die Krim gebracht worden seien. Siemens hätte alles in seiner Macht Stehende unternomme­n, um dies zu verhindern. Interautom­atika sollte die Leittechni­k für ein Projekt auf der Krim erstellen. Siemens sei sofort hellhörig geworden, als man davon erfahren habe. Das Projekt wurde aufgekündi­gt und eine Untersuchu­ng gestartet.

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Gerhard Rehor: Rumpler auf der Aktienseit­e abwarten

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