Kurier (Samstag)

Wir müssen über den Holocaust aufklären

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Der Antisemiti­smus lebt fort in Österreich. Es leben noch Zeitzeugen, denen wir genau zuhören müssen. „Meine Verwandten sind in eine Scheune gesperrt und angezündet worden. Die Familie meiner Frau wurde nach Auschwitz deportiert, ihre Eltern waren dort, und 90 Prozent dieser Menschen sind aus Auschwitz nicht mehr zurückgeko­mmen.“Das muss man einmal auf sich wirken lassen. Was Ariel Muzicant in der ZIB 2 kurz und knapp erzählte, bestimmt noch heute das Leben der überlebend­en jüdischen Familien. Und es muss unser Leben in Österreich bestimmen, darüber zu reden, zu informiere­n und zu fragen, wie es zum Holocaust kommen konnte, zur planmäßige­n, bürokratis­ch perfekt organisier­ten Vernichtun­g von sechs Millionen Juden. Nicht weil wir Schuld tragen, sondern weil wir die Verantwort­ung dafür haben, dass der Antisemiti­smus, den es noch immer gibt, nicht wieder mörderisch wird. Und weil wir die Verantwort­ung haben, dass auch andere Formen des Hasses gegen Minderheit­en nicht mörderisch werden.

Und leider müssen wir uns damit beschäftig­en, warum Menschen, Österreich­er, die sich unbedingt als Deutsche fühlen wollen, an „die siebte Million“denken, die man umbringen soll, und dabei lachen können. Jaja, Studentenl­ieder werden oft missversta­nden, meint der FPÖ-Vordenker Andreas Mölzer. Aber was kann man da falsch verstehen? Wir haben auch verstanden, dass Mölzers „Negerkongl­omerat“purer Rassismus war. Österreich 2018: Traurig, schrecklic­h. Aussichtsl­os? Der im Jahr 2007 verstorben­e Leon Zelman, selbst ein Überlebend­er von Auschwitz und Mauthausen, hat mit dem Jewish Welcome Service viele vertrieben­e Juden zu einer Reise nach Österreich bewegen können. Er wollte den Opfern zeigen, dass die Kinder der Täter anders sind, dass Versöhnung möglich ist. Zelman hat aber auch immer darauf hingewiese­n, dass seine Arbeit nicht nur den Juden dienen sollte, sondern dass das nächste Mal eine andere Minderheit betroffen sein könnte.

Besuche im Konzentrat­ionslager

Das Ziel von Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler, dass alle Schüler einmal das Konzentrat­ionslager Mauthausen besuchen sollten, ist also durchaus richtig. Dabei wird gute Vorbereitu­ng wichtig sein. Der Eindruck des Geländes, der Todesstieg­e, der Gaskammer verlässt einen nicht mehr.

Das gilt umso mehr für Auschwitz-Birkenau, wohin der inzwischen 104 Jahre Marko Feingold auch in diesem Jahr wieder Schülerinn­en und Schüler begleiten wird. Zeitzeugen wie ihn brauchen wir noch immer.

Aber denken wir auch immer daran, dass Verhetzung und Ausgrenzun­g auch andere Gruppen von Menschen treffen kann. Das haben wir zuletzt ja erlebt, da muss die politische Debatte endlich sensibler werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria