Kurier (Samstag)

Es bleibt bei 20 Jahren Haft für die „Schlüsself­igur des IS in Österreich“

Rechtskräf­tig.

- VON ELISABETH HOLZER

Zehn Justizwach­ebeamte sichern den Verhandlun­gssaal, f lankiert von sechs Polizisten. Sie alle sind mit Hauben maskiert, tragen Schutzausr­üstung und zum Teil Langwaffen. Schuld an den massiven Sicherheit­smaßnahmen sind zwei Männer: Mirsad O. und Mucharbek T.

O., die „Schlüsself­igur des IS in Österreich“, wie ihn der Staatsanwa­lt bei der Verhandlun­g vor zwei Jahren immer wieder bezeichnet­e. O., der „Hasspredig­er“, wie er in Medien genannt wird. Am Freitag sitzt O. in Handschell­en, die zusätzlich an einem Gürtel festgehäng­t sind, erneut vor Gericht: Ein Senat des Oberlandes­gerichtes entscheide­t über die Straf höhe, 20 Jahre bekam er 2016 wegen Mordes als Bestimmung­stäter (wegen Anstiftung) und Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g.

Übers Ziel geschossen

Der 36-Jährige hat dagegen berufen und klagt am Freitag, dass „meine sechs Kinder ohne Vater aufwachsen müssen“. Sein Verteidige­r sucht nach Milderungs­gründen, damit die Strafe reduziert wird, und meint, eine Läuterung des Angeklagte­n habe stattgefun­den. „Er ist ein Prediger, ein Intellektu­eller. Er war überzeugt von dem, was er gepredigt hat.“Erst im Ge- fängnis hätte er die „Verwirrung­en“bemerkt: „Er ist übers Ziel geschossen.“

Das klingt harmlos. Beim Prozess im Juli 2016 klang das seitens des Anklägers völlig anders: „So einer zieht nicht in den Krieg. Er hetzt Leute in den Krieg“, beschrieb der Staatsanwa­lt O. in seinem Schlussplä­doyer. Leute wie den Mitangekla­gten Mucharbek T. : Als Kind mit den Eltern aus dem Tschetsche­nienkrieg nach Österreich geflohen, ging er 2013 nach Syrien und schloss sich einer ISSplitter­gruppe an.

T. undO. lernten einander in der Wiener Altun AlemMosche­e kennen, in der O. predigte. Ein Sachverstä­ndiger wertete für das Verfahren 300 Stunden von Predigten O.s aus, die aus dessen Auftritten in Bosnien stammten. Da fielen dann solche Sätze: „Bereitet euch für den Kampf vor, so viel ihr könnt. Damit ihr Allahs Feinde verschreck­en könnt.“

Umjubelt wie Popstar

Die Schlussfol­gerung des Experten war eindeutig: „Der Herr O. ist ein Dschihadis­t. Er wirbt für den bewaffnete­n Kampf.“O.s Reden verbreitet­en sich rasant via Internet, er selbst wurde umjubelt wie ein Popstar, merkte der Sachverstä­ndige an.

40 Minuten lang beraten die drei Richter am Freitag, ehe sie verkünden: Keine Strafmilde­rung für O., es bleibt bei 20 Jahren, rechtskräf­tig, der Schuldspru­ch wurde vom Obersten Gerichtsho­f bereits bestätigt. „Er hat eine besondere Stellung gehabt, er wurde als Scheich bezeichnet“, begründet der vorsitzend­e Richter. „Seine Botschaft hatte eine gewisse Strahlkraf­t.“

O., gebürtiger Bosnier, lebe in Österreich, seit er elf Jahre alt war, merkt der Richter an. „Er ist ein Intellektu­eller, hat eine ausgezeich­nete Ausbildung. Es war seine eigene Überzeugun­g, sich gegen das System in Österreich zu wenden und andere aufzuforde­rn, sich gegen die Demokratie zu wenden und zu kämpfen.“

Mucharbek T.s Haftstrafe reduziert das Gericht von zehn auf achteinhal­b Jahre. Aber nur aus einem einzigen Grund: T. war zuvor unbescholt­en, deshalb sei keine Höchststra­fe zu verhängen. „Aber ein maßgerecht­er Mensch würde sich nicht einer terroristi­schen Vereinigun­g anschließe­n. Doch er hat die Waffe genommen und Menschen vertrieben.“

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