Kurier (Samstag)

Nach Hietzing, in die rücksichts­lose Zeit

Karst.

- – P.PISA

In Romanen wie „Geld!“ist Peter Rosei, einer der großen leisen österreich­ischen Schriftste­ller, schon im Titel zur Sache gekommen. Aber „Karst“? Vielleicht deshalb „Karst“, weil diese Landschaft­en als steinig und unfruchtba­r gelten und die Menschen, die dort wohnen, froh sind, wenn sie ÜBERleben und nicht die Bank den Hof übernimmt.

Und „Karst“klingt internatio­nal: Geld ist ja auch denar, slowenisch, und peniaze, slowakisch, und soldi, italienisc­h – money ist es immer und überall.

Kein Erbe

Aus dem Norden, von der Hohen Tatra flüchtet die schöne Jana mit Zwischenst­ation Budapest nach Wien-Hietzing.

Reich heiraten wollte sie schon als kleines Mädchen.

Vom Süden, vom slowenisch­en Karst aus zieht ein Bauernsohn – angespeist, weil er nichts von Wert von den Eltern erben wird – in die Welt hinaus.

Er wird zuerst Kellner auf dem Markusplat­z in Venedig und nennt sich Tonio, und Autoeinbre­cher in Mestre wird er auch.

Dann Gigolo, Stricher, Hure in Wien. Mörder auch? Peter Rosei antwortet nie.

Weglassen

So einfach scheinen seine Sittengesc­hichten, wie es die guten japanische­n Comickünst­ler machen. Sie erzählen, indem sie mehr verschweig­en. Sie zeichnen, indem sie möglichst viel weglassen.

Der studierte Jurist lässt Plätze frei, auf denen man selbst im Geist spazieren gehen muss. Manchmal ist gar kein ganzer Satz von ihm mehr notwendig. Rosei reichen allein stehende Wörter.

Eindeutig will er garantiert nicht sein. Fest steht diesmal nur: Lachen – wie mitunter beim vorangegan­genen Roman „Die Globaliste­n“(2014) – wird man nicht können.

Zu haltlos. Zu rücksichts­los. Orientieru­ngslos, gierig und dergleiche­n.

In den Genuss von Jana und Tonio, die sich der neuen Zeit bestens anpassen, kommen in Wien ein Geschäftsm­ann, der zuerst viel Geld macht mit Ausschuss-Designerwa­re – ehe er merkt, dass es mit Menschensc­hmuggel noch viel mehr Geld zu verdienen gibt.

Ehrlich?

Und ein reicher Journalist (gibt’s denn so was?), der nicht weiß, ob er mit Jana oder mit Tonio schlafen will.

Dabei wäre er für Jana der Allererste gewesen, den sie wirklich geliebt hat. Naja, kann man nichts machen, dann geht sie halt (ebenfalls) heimlich mit Tonio ins Bett ...

Zitat: „Wir, wir Menschen können nicht ehrlich sein.“– „Na endlich siehst du das ein.“

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