Wenn der Roboter das T-Shirt näht
Automatisierung, aber auch Handelskriege bedrohen in Asien unzählige Billig-Jobs
Wenn sich schon Europa Sorgen wegendrohender Jobverluste durch die Automatisierung macht: Was ist dann erst mit Asien? Kaum ein Kleidungsstück, das heutzutage nicht aus den Billiglohnländern der Region kommt. Deren Kostenvorteile sind allerdings nicht in Stein gemeißelt, wie der jüngste Bericht der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) aufzeigt.
Demnach würden die Kosten zur Herstellung eines Baumwollshirts in den USA auf 7 Dollar geschätzt. Dasselbe Shirt kostet in Indien nur 0,50 Dollar, in Bangla-
Juzhong Zhuang Vize-Chefökonom der ADB desch 0,22 Dollar und in Kambodscha 0,33 Dollar. Durch den Einsatz von Nährobotern könnten die Kosten in den USA und Europa freilich auf 0,40 Dollar sinken. Damit würde eine Rückverlagerung wieder attraktiv – allerdings voll automatisiert.
Trotz dieses absehbaren Drucks auf Asiens Arbeitsmärkte bleibt Juzhong Zhuang, Vize-Chefökonom der ADB, „vorsichtig optimistisch“. Denn: „Technologie ist der Schlüssel für höhere Produktivität und einen besseren Lebensstandard“, sagte der Chinese im Gespräch mit dem KURIER in Wien. Er sieht vier Gründe, warum Industrie 4.0, künstliche Intelligenz und Roboter doch keinen Jobkahlschlag auslösen: – Kosten Nicht alles, was technisch machbar wäre, rechnet sich ökonomisch. „Automatisierung ist zunächst einmal teuer“, sagt Juzhong. Deshalb kämen Roboter bisher fast ausschließlich in kapitalintensiven Industrien wie der Auto- und ElektronikBranche zum Einsatz. Für die Textilfirmen bleibe der Vorteil billiger Arbeitskräfte noch eine Zeit lang bestehen. Die Länder könnten sich vorbereiten. – Humankapital Jeder Job umfasse viele Tätigkeiten, nicht alle sind manuelle Routinen und somit ersetzbar. Dableibt noch Platz für den Menschen. „Die Geldausgabe haben Bankomaten übernommen, dennoch steigt die Beschäftigung in Asiens Bankensektor“, sagt Juzhong. – Nachfrage Mit der Produktivität steigen die Einkommen, das schafft neue Nachfrage und somit Jobs. Und generell hat Asien Aufholbedarf im Übergang zur Servicegesellschaft: In den reichen OECD-Staaten entfielen bereits 15 Prozent der Beschäftigung auf Bereiche wie Gesundheit und Bildung sowie 20 Prozent auf Finanzen und Beratungsservices. In Asien lägen die Anteile je nach Land zwischen 2 und 6 Prozent. – Innovation Nicht zuletzt entstünden ganz neue Jobs in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Was die Bildungs-, Arbeitsmarktund Sozialpolitik betrifft, seien Asiens Staaten zwar bisher eher schlecht auf den Wandel durch die Digitalisierung vorbereitet. Sie hätten aber noch viel größere steuerliche Spielräume als der Westen, um darauf zu reagieren.
Handelskrieg mit USA
Die Entwicklungsbank erwartet für 2018und2019„solides Wachstum“in den 45 Ländern der ADB-Region (Grafik). Die Risiken hätten aber zugenommen – Stichwort Handelskrieg zwischen USA und China. Eine Eskalation wäre „das Letzte, was wir brauchen können“, sagt Juzhong. Er betont aber, dass Asiens Wachstum weniger exportgetrieben sei als früher – nur 10 Prozent hingen von der Nachfrage des Auslandes ab.
Ein Handelskrieg wäre dennoch zum Schaden aller und hätte große „Kollateralschäden“zur Folge: So bedeute ein Prozent BIP-Minus in China wegen der engen Verflechtung -0,3 Prozent für den Rest der Region. Was auch Europa spüren würde.
Eine am Donnerstag veröffentlichte OECD-Studie ergibt, dass kleine Länder (wie Österreich) von Freihandelsabkommen besonders profitieren, weil sich für ihre stark spezialisierten Firmen da- durch größere Absatzmärkte eröffnen. Die Vorteile der Abkommen seien größer, je mehr Länder beteiligt sind. ZweiLänder-Deals, wie sie US-Präsident Trump anvisiert, würden die Handelsströme eher umleiten als ausweiten.
Alle Länder profitieren – aber nicht alle Menschen: Die OECD warnt, ein Teil der Arbeitskräfte aus wenig konkurrenzfähigen Branchen müsse sich neue Betätigungsfelder suchen. „Ja, es gibt in jedem Land Gewinner und Verlierer“, räumt Juzhong ein: „Man sollte sich um diese Ungleichheit kümmern statt den Handel zu stoppen oder eine Politik der Abschottung zu betreiben, die allen schadet.“Aber sind nicht Asiens Länder, inklusive China und Indien, noch viel verschlossener als die USA oder die EU? „Wir möchten gerne konstante Fortschritte sehen, keine Rückabwicklung“, sagt Juzhong. Die Zölle seien über die Jahre gesunken. UndbeimAbbauanderer Marktbarrieren nehme die ADB eine Beratungsrolle ein.
Fairer statt freier
Asiens Textilindustrie ist indes berüchtigt für „Sweatshops“, für Fabriken mit miserablen Arbeitsbedingungen. Sollten nicht Handelsdeals die höheren, westlichen Produktions- und Umweltstandards zur Vorschrift machen?
Darauf gab Paul Krugman jüngst eine überraschende Antwort. „Etwas Spielraum gibt es, aber nicht viel“, sagte der linke US-Ökonom. So könne die Textilindustrie in Bangladesch nur dank niedriger Löhne auf dem Weltmarkt verkaufen: „Wenn wir auf unsere Spielregeln bestehen, sagen wir ihnen im Grunde: Hungert weiter.“Speziell für diese armen Länder wäre ein Handelskrieg „verheerend, wenn nicht gar tödlich.“
„Statt eines HandelsStopps sollte etwas gegen die ungleich verteilten Gewinne getan werden.“ +17,6 %