Kurier

Auch ein Startenor braucht mitunter Anlaufzeit

Kritik. Solistenko­nzert von Jonas Kaufmann

- – PETER JAROLIN

Wenn sich Stunden vor einer Aufführung bereits Schlangen vor der Stehplatzk­assa bilden, dann muss jemand ganz Besonderer an der Wiener Staatsoper zu Gast sein. So geschehen beim finalen Solistenko­nzert dieser Saison im Haus am Ring, wo Startenor Jonas Kaufmann dem Wiener Publikum seine Aufwartung machte.

Zum erst dritten Mal – nach zwei Vorstellun­gen von Puccinis „Tosca“– war der Ausnahmekü­nstler in dieser Saison im Haus am Ring zu erleben; auch in der kommenden Spielzeit wird er nur drei Mal als Cavaradoss­i (vermutlich an der Seite von Angela Gheorghiu als Tosca) zu hören sein. Die Vorfreude war somit groß, und Kaufmann setzte auf ein extrem anspruchsv­olles Programm.

Gustav Mahler (vier Lieder aus dem „fahrenden Gesellen“) bildete den extrem verhaltene­n Auftakt, bei dem Kaufmann vor allem auf dezente, vokale Zurückhalt­ung setzte. Und auch der gewohnt souveräne Helmut Deutsch am Klavier vermochte hier noch nicht wirklich viele Akzente zu setzen. Ein Bild, das sich auch bei Benjamin Brittens meisterhaf­ten „7 Sonnets of Michelange­lo“subtil wiederhole­n sollte.

Zwar war Kaufmann bei Britten wesentlich mehr in seinem Element, richtig befreit aufsingen konnte der Superstar der Klassik aber auch hier noch nicht.

Welch famoser Gestalter, welch großartige­r Liedsänger er aber ist, wurde nach der Pause deutlich. Denn bei neun Liedern aus den „Letzten Blättern“sowie fünf weiteren Liedern von Richard Strauss zog Kaufmann dann alle Register seines hohen Könnens. Plötzlich floss die Stimme, plötzlich punktete der Tenor mit schönen Höhen, samtener, baritonal gefärbter Mittellage und vor allem mit interpreta­torischem Feinschlif­f. Der so häufige Wechsel der Emotionen, das virtuose Spiel mit Gefühlslag­en – Kaufmann und Pianist Deutsch waren bei Strauss merklich daheim.

Jubel, Blumen und fünf Zugaben waren die Folge.

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