Wenn Tenöre einmal nicht den guten Ton angeben dürfen
Kritik. Bariton gegen Bariton – das ist Brutalität. Vor allem dann, wenn es um eine verbotene Liebe geht, die letale Konsequenzen nach sich zieht. Ja, Jules Massenets „Werther“ist wieder (Reprisen: 28., 31. März und 3. April) an der Wiener Staatsoper zu sehen – und zwar in der Bariton-Fassung.
Nicht ein Tenor geht hier als leidender Dichter Werther in den Freitod, sondern sein stimmlich tiefer liegender Kollege. Und der ist bei Ludovic Tézier vokal in besten Händen. Der französische Bariton singt diese Partie sehr kultiviert und mit Emphase; darstellerisch dürfte Tézier noch mehr aus sich herausgehen.
Als sein Gegenspieler Albert brilliert Adrian Eröd in jeder Hinsicht; als weibliches Objekt beider Begierde gibt Mezzosopranistin Sophie Koch eine höchst intensive, starke Charlotte. Maria Nazarova ist eine herzige, auch impulsive Sophie. Die kleineren Partien sind mit Alexandru Moisiuc, Peter Jelosits und Marucs Pelz adäquat besetzt.
Am Pult des soliden Orchesters ist Dirigent Frédéric Chaslin um Dramatik, Melos und differenzierte Klangfarben bemüht.