Das Schreiben als Obsession und andere Manien und Kollaterallaster
Ausstellung. „Im Rausch des Schreibens“: Von Musil bis Bachmann“im Literaturhaus.
„Die Legende vom heiligen Trinker“war das letzte Buch von Joseph Roth, ehe der k. & k. Chronist nicht einmal 45-jährig in Paris im Delirium tremens starb. „Er trank Wein und Schnaps schon zum Frühstück“, berichtet der Filmregisseur Géza von Cziffra. „Er hatte böse Perioden. Oft zitterten seine Hände bedenklich, aber sein Geist nie.“
„Ich behandle das Leben als etwas unangenehmes“, schreibt Robert Musil 1937, „über das man durch Rauchen hinwegkommen kann! (Ich lebe, um zu rauchen).“
„Keinen Tabak zu haben, das bedeutet“auch für Heimito von Doderer „Abtrennung von den tieferen Hintergründen des Geistes. Mir ist in der Tat, als könnte ich in einem einzigen Zug aus einer Zigarette bis in die Hintergründe meines eigenen Wesens mich selbst einsaugen.“
Stimulanzien
Was wäre die Literatur ohne die Treibstoffe des Schreibens Alkohol, Nikotin, Kaffee und ohne bewusstseinserweiternde Substanzen, die die Fantasie beflügeln? Vor allem: Wie lässt sich mit diesen Krücken der Inspiration der erwünschte produktive Rausch künstlerischer Produktivität provozieren?
Von Musil bis Bachmann, Stifter bis Handke, Jonke bis Falco widmet sich das Literaturmuseum der Österreichi- schen Nationalbibliothek in der Sonderausstellung „Im Rausch des Schreibens“.
Unter den rund 170 Exponaten: Ernst Jandls Pfeifensammlung, ein Ansichtskartenbrief des Kettenrauchers Friedrich Torberg und zwei noch nie öffentlich ausgestellte Notizbücher mit Songtext-Entwürfen von Falco, der fand: „Ganz Wien ist heut auf Heroin. Ganz Wien träumt mit Mozambin. Ganz Wien greift auch zu Kokain. Überhaupt in der Ballsaison.“
Thema der Schau in fünf Kapiteln sind neben dem durch Drogen und Genussmittel induzierten Rausch auch Zustände des Außersich-Seins: So basiert die Groteske „Die Merowinger“des bekennenden Cholerikers Doderer auf einem Affekt, der gemeinhin für wenig salonfähig gilt: der Wut.
Am Ende wird das Ver- hältnis von Exzess und Askese – die Schreib- und Selbstdisziplin – beleuchtet.
Da schließt sich der Kreis, denn letztlich erinnert die weit verbreitete Neigung vieler Kreativer zur Selbstzerstörung ans Rätselhafte, Unheimliche und Verstörende in Kaf kas Texten.
„Versuche jemandem die Hungerkunst zu erklären! Wer es nicht fühlt, dem kann man es nicht begreiflich machen“, so der dünne Kaf ka, Autor der Erzählung „Ein Hungerkünstler“(1922). Er kann wiederum nicht anders als schreiben, hungern, auf das Leben verzichten, weil er „die Speise seines Lebens“nicht anders finden kann.