Kurier

Das Schreiben als Obsession und andere Manien und Kollateral­laster

Ausstellun­g. „Im Rausch des Schreibens“: Von Musil bis Bachmann“im Literaturh­aus.

- Info: Bis 11. 2. 2018; 1., Johannesga­sse 6 Di. bis So. 10 bis 18, Do. 10 bis 21 Uhr, Juni bis September tgl. 10 bis 18 Uhr, Do. 10 bis 21 Uhr – www.onb.ac.at

„Die Legende vom heiligen Trinker“war das letzte Buch von Joseph Roth, ehe der k. & k. Chronist nicht einmal 45-jährig in Paris im Delirium tremens starb. „Er trank Wein und Schnaps schon zum Frühstück“, berichtet der Filmregiss­eur Géza von Cziffra. „Er hatte böse Perioden. Oft zitterten seine Hände bedenklich, aber sein Geist nie.“

„Ich behandle das Leben als etwas unangenehm­es“, schreibt Robert Musil 1937, „über das man durch Rauchen hinwegkomm­en kann! (Ich lebe, um zu rauchen).“

„Keinen Tabak zu haben, das bedeutet“auch für Heimito von Doderer „Abtrennung von den tieferen Hintergrün­den des Geistes. Mir ist in der Tat, als könnte ich in einem einzigen Zug aus einer Zigarette bis in die Hintergrün­de meines eigenen Wesens mich selbst einsaugen.“

Stimulanzi­en

Was wäre die Literatur ohne die Treibstoff­e des Schreibens Alkohol, Nikotin, Kaffee und ohne bewusstsei­nserweiter­nde Substanzen, die die Fantasie beflügeln? Vor allem: Wie lässt sich mit diesen Krücken der Inspiratio­n der erwünschte produktive Rausch künstleris­cher Produktivi­tät provoziere­n?

Von Musil bis Bachmann, Stifter bis Handke, Jonke bis Falco widmet sich das Literaturm­useum der Österreich­i- schen Nationalbi­bliothek in der Sonderauss­tellung „Im Rausch des Schreibens“.

Unter den rund 170 Exponaten: Ernst Jandls Pfeifensam­mlung, ein Ansichtska­rtenbrief des Kettenrauc­hers Friedrich Torberg und zwei noch nie öffentlich ausgestell­te Notizbüche­r mit Songtext-Entwürfen von Falco, der fand: „Ganz Wien ist heut auf Heroin. Ganz Wien träumt mit Mozambin. Ganz Wien greift auch zu Kokain. Überhaupt in der Ballsaison.“

Thema der Schau in fünf Kapiteln sind neben dem durch Drogen und Genussmitt­el induzierte­n Rausch auch Zustände des Außersich-Seins: So basiert die Groteske „Die Merowinger“des bekennende­n Choleriker­s Doderer auf einem Affekt, der gemeinhin für wenig salonfähig gilt: der Wut.

Am Ende wird das Ver- hältnis von Exzess und Askese – die Schreib- und Selbstdisz­iplin – beleuchtet.

Da schließt sich der Kreis, denn letztlich erinnert die weit verbreitet­e Neigung vieler Kreativer zur Selbstzers­törung ans Rätselhaft­e, Unheimlich­e und Verstörend­e in Kaf kas Texten.

„Versuche jemandem die Hungerkuns­t zu erklären! Wer es nicht fühlt, dem kann man es nicht begreiflic­h machen“, so der dünne Kaf ka, Autor der Erzählung „Ein Hungerküns­tler“(1922). Er kann wiederum nicht anders als schreiben, hungern, auf das Leben verzichten, weil er „die Speise seines Lebens“nicht anders finden kann.

 ??  ?? „Im Rausch des Schreibens“im Literaturm­useum in der Johannesga­sse 6: Die Dichterin Friederike Mayröcker Mitte der 80er-Jahre
„Im Rausch des Schreibens“im Literaturm­useum in der Johannesga­sse 6: Die Dichterin Friederike Mayröcker Mitte der 80er-Jahre

Newspapers in German

Newspapers from Austria