Kurier

Japaner „kaufen“den Zentralfri­edhof

Geschichte­n mit Geschichte Die Kunden wollen Beethoven, Mozart & Co im Tod nahe sein

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IGEORG MARKUS n Tokio, Osaka, Yokohama und in anderen Städten macht die Nachricht die Runde: Es gibt die Möglichkei­t, sich in Wien bestatten zu lassen – und zwar an einem ganz besonderen Ort. Nur wenige Schritte von den Ehrengräbe­rn der in Japan vergöttert­en Komponiste­n Beethoven, Mozart, Schubert & Co entfernt. „Ich glaube, dass es viele Kunden geben wird“, sagt der japanische Bestattung­sunternehm­er Nariyasu Mishima, der für seine Landsleute die Möglichkei­t geschaffen hat, ihre letzte Ruhe nahe den Musikgenie­s zu finden. Auch wenn bisher erst vier der 300 von ihm gekauften Gruftplätz­e am Wiener Zentralfri­edhof vergeben sind.

In den Alten Arkaden

Die Alten Arkaden sind das älteste Bauwerk des Zentralfri­edhofs. Sie liegen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zu den Ehrengräbe­rn, in denen die Unsterblic­hen ihren Frieden gefunden haben. Es gibt 36 Arkaden, deren Kaufpreis nach ihrer Fertigstel­lung im Jahr 1881 sehr hoch war. Entspreche­nd prominent sind die Namen der Familien, die hier bestattet sind. Sie heißen Wertheim, Wächter, Mautner Markhof, und das Nutzungsre­cht der Gräber gilt auf Friedhofsd­auer, also für immer. Wenn eine Gruft jedoch längere Zeit nicht gepflegt wird oder gar einsturzge­fährdet ist, hat die Friedhofsv­erwaltung die Möglichkei­t, sie aufzulasse­n und neu zu vergeben.

Genau das geschah 2013 mit der rechten Arkadengru­ft Nr. 5, und da hat der Bestattung­sunternehm­er Nariyasu Mishima aus der japanische­n Stadt Himeji zugeschlag­en. Er ist überzeugt davon, dass es in seiner Heimat viele Musikfans gibt, die die posthume Nähe von Mozart und Beethoven suchen würden.

Neben den Musikgenie­s

Herr Mishima, der selbst ausgebilde­ter Musiker ist, erzählt, wie es dazu kam: „Ich habe durch mein Studium eine große Beziehung zur klassische­n Musik. Als ich vor einigen Jahren in Wien war und den Zentralfri­edhof besuchte, spürte ich, dass ich selbst einmal in der Umgebung der Musikgenie­s begraben sein möchte.“

Wie das Leben so spielt, wurde Herr Mishima 1998 Leiter eines Bestattung­sunternehm­ens in Yokohama. „Eines Tages äußerte ein mu- sikbegeist­erter Kunde denselben Wunsch.“Dem konnte damals noch nicht entsproche­n werden, doch als sich Herr Mishima vor sieben Jahren mit einem eigenen Bestattung­sinstitut selbststän­dig machte, versuchte er es noch einmal. „Ich nahm Kontakt mit der Verwaltung des Wiener Zentralfri­edhofs auf, und da ist es mir dann gelungen, die für 300 Urnennisch­en zugelassen­e Arkade 5 nahe den Gedenkstät­ten Mozarts, Beethovens und Schuberts zu kaufen. Hier kann jeder, unabhängig von Religion oder Staatszuge­hörigkeit bestattet werden.“

Florian Keusch, der Sprecher der „Wiener Bestattung und Friedhöfe GmbH“bestätigt den Vertrag mit Herrn Nariyasu Mishimas Firma „World Music Cemetery“. Die Nutzungsda­uer der Gräber ist auf 100 Jahre beschränkt.

Das Wiener Büro

Vera Redlich, die perfekt Japanisch spricht, leitet Herrn Mishimas Büro in Wien. „Der Platz unter den Arkaden ist Personen vorbehalte­n“, sagt sie, „die sich für eine Feuerbesta­ttung entscheide­n. Ein Teil der Asche der Verstorben­en wird nach Wien geflogen, der Rest bleibt in Japan.“Frau Redlich organisier­t die Begräbnisz­eremonien wie sie von den Kunden zu Lebzeiten bestimmt werden. Je nach Wunsch mit Musikbegle­itung, Ansprache, Abholung der Angehörige­n vom Flughafen und Unter- bringung im Hotel. Der Preis für eine Grabstätte inklusive Überführun­g und Bestattung beträgt rund 24.000 Euro.

Der Wiener Friedhofs- und Bestattung­sexperte Julius Müller veranstalt­et regelmäßig Führungen durch den Zentralfri­edhof und zeigt den Besuchern neben den Ehrengräbe­rn neuerdings auch die für „World Music Fans“bestimmte Arkade. Er weiß alles über Österreich­s größte Ruhestätte: „Am Zentralfri­edhof wurden seit 1874 drei Millionen Menschen begraben, aktuell gibt es 300.000 Gräber, darunter 1000 Ehrengräbe­r.“Die Führungen werden auch von Japanern gerne gebucht, „die sich praktisch nur für die Musikergrä­ber interessie­ren“.

Wir trafen während einer solchen Führung die 23-jährige Yuki Osaki, die am Salzburger Mozarteum Musik studiert. Sie erklärt, dass die Liebe zur Wiener Musik in Japan enorm sei. „Beethoven und Mozart sind auch meine Götter“, sagt Yuki, ob sie aber neben ihnen begraben sein möchte, weiß sie noch nicht. „Ich habe noch sehr viel Zeit, darüber nachzudenk­en.“

Alle Kunden leben

Noch sind die 300 Urnengräbe­r in der Arkade Nr. 5 leer. Herr Mishima hat bisher die Nutzungsre­chte von vier Plätzen vergeben, aber gestorben ist glückliche­rweise noch keiner seiner Kunden.

georg.markus@kurier.at

 ??  ?? Die aus Japan stammende Musikstude­ntin Yuki Osaki an Beethovens Grab: „Diese Musiker sind meine Götter, aber ich weiß noch nicht, ob ich in ihrer Nähe begraben sein möchte“
Die aus Japan stammende Musikstude­ntin Yuki Osaki an Beethovens Grab: „Diese Musiker sind meine Götter, aber ich weiß noch nicht, ob ich in ihrer Nähe begraben sein möchte“
 ??  ?? Die Alten Arkaden (oben) in unmittelba­rer Nähe der Gräber von Mozart & Co. Arkade Nr, 5 ist für 300 japanische „World Music Fans“reserviert (links)
Die Alten Arkaden (oben) in unmittelba­rer Nähe der Gräber von Mozart & Co. Arkade Nr, 5 ist für 300 japanische „World Music Fans“reserviert (links)
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 ??  ?? Führungen auch zu den „World Music Fans“: Julius Müller
Führungen auch zu den „World Music Fans“: Julius Müller
 ??  ?? Kaufte 300 Gräber: der Bestatter Nariyasu Mishima aus Japan
Kaufte 300 Gräber: der Bestatter Nariyasu Mishima aus Japan
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Vera Redlich organisier­t die Begräbnisz­eremonien in Wien
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