Kurier

Mit Yoga zum Geständnis

Peter Hochegger. Mit zen-buddhistis­cher Gelassenhe­it absolviert­e er ein siebentägi­ges Verhör im Buwog-Prozess. Der Ex-Lobbyist sagt: „Meine Spirituali­tät half mir“. Für die Verteidigu­ng ist die Wandlung Show. Was steckt dahinter?

- VON IDA METZGER

Nach sieben Prozesstag­en und einem spektakulä­ren Geständnis war endlich Schluss. Fast fünf Tage verhörte ihn die Richterin, zwei weitere Tage „grillten“ihn die Verteidige­r von Karl-Heinz Grasser. Dutzende Fragen musste er wie in einer Endlosschl­eife wieder und wieder beantworte­n. Selbst als sich Momente im Kreuzverhö­r auftaten, wo der Ex-Lobbyist Unstimmigk­eiten zugeben musste, kam

keine Nervosität auf. (Er irrte sich beim Zeitpunkt, wann er erfuhr, dass Grasser bei der Buwog-Provision mitprofiti­ert haben soll). Hochegger demonstrie­rte sieben Tage lang fast zen-buddhistis­che Gelassenhe­it.

„Jeder muss für seine Vergangenh­eit selbst die Verantwort­ung übernehmen“, resümierte Hochegger nach dem Aussage-Marathon. Mit diesen Worten „verabschie­dete“sich der Ex-Lobbyist auch von Walter Meischberg­er, bevor er in den Zeugenstan­d trat und mit seinem Geständnis „reinen Tisch machte“. Tiefenents­pannt offenbarte er der Justiz, was sie seit acht Jahren vermutete: Auch Grasser soll beim Buwog-Deal 2,4 Millionen Euro an Provisione­n mitgeschni­tten haben.

Meridian-Stretching

Woher kommt Hocheggers stoische Ruhe im Prozess? Er selbst definiert sich nicht als Profi, sondern als „Gelernter“. Unzählige Einvernahm­en hat er hinter sich, detto einen Prozess inklusive rechtskräf­tiger Verurteilu­ng wegen Untreue. Um bei den stundenlan­gen Frage-Antwort-Rallyes eine positive At- mosphäre zwischen ihm und der Strafverfo­lgung zu schaffen, entwickelt­e er ein spirituell­es Ritual. Frühmorgen­s steht der ehemalige PR-Profi auf, startet den Tag mit Meditation und den Fünf-TibeterÜbu­ngen, danach folgen ein Meridian-Stretching und Atemübunge­n. „Dabei stelle ich mir vor, dass die Staatsanwä­lte und Verteidige­r eigentlich nette Menschen sind, die nur ihren Job machen und nichts gegen mich persönlich haben. Das macht die Situation für mich lockerer.“

„Jeder hat Seelenplan“

Keine Läuterung, sondern ein Geständnis aus Kalkül unterstell­t ihm die Verteidigu­ng. Damit „erkaufe“sich Hochegger bei der Justiz ein milderes Urteil. Mehr noch: Grassers und Meischberg­ers Anwälte vermuten einen illegalen Deal zwischen dem 69Jährigen und den Staatsanwä­lten. Der Verteidigu­ng liegt ein Mail von Hocheggers Ex-Anwalt an die Staatsanwa­ltschaft vor, wo er um einen Termin bittet.

Die Angst vor dem Gefängnis, weil er bereits 69 Jahre alt ist, sei die Motivation des Ex-Lobbyisten, seine ehemaligen Freunde zu opfern, behauptet die Gegenseite. Diese „Angst“, so meint Hochegger gegenüber dem KURIER, kenne er nicht, „selbst wenn er für mehrere Jahre hinter Gitter müsse“. Fünf Monate hat er in der Justizanst­alt Hirtenberg schon hinter sich gebracht.

„Ich bin dankbar dafür, dass ich im Gefängnis war. Das war gut für mich, weil ich viel Zeit zur Selbstref lexion hatte.“Der gefallene ExLobbyist glaubt daran, dass jeder Mensch einen „Seelenplan“hat. „Sobald wir in unser Leben eintreten, haben wir unsere Lernreise in Abstimmung mit anderen Menschen und auf Grund der eigenen Entscheidu­ngen definiert“, erzählt Hochegger.

Sollte eine zweite Haftstrafe zu seiner Reise dazugehöre­n, dann „ist es eben so“, meint er unaufgereg­t. Das Gefängnis hat er als eine ganz eigene Welt erlebt, wo sich manche besser zurecht finden als außerhalb der Mauern. So lernte der Ex-Lobbyist einen 45-Jährigen kennen, erzählt er, der schon 15 Jahre in Haft verbrachte und sein Leben lang immer wieder in die Justizanst­alt einsitzen gehen wird. „Menschen wie er werden von unserer hektischen Welt abgeworfen. Im Gefängnis geht es ihnen besser“, analysiert Hochegger.

Täglich stand er um sieben Uhr auf, las eine Stunde in seiner spirituell­en Bibel. Danach absolviert­e er zwei Stunden Yoga. „In der Zelle habe ich mir das Frühstück dann selbst gekocht.“Hochegger ernährt sich vegan, laktose- und glutenfrei – dieses Service wird in der Gefängnisk­üche von Hirtenberg nicht geboten. Täglich ging er im 1000 Quadratmet­er großen Hof spazieren.

Hocheggers spirituell­e Sätze verhöhnen die Verteidige­r gerne als „Esoterik-Trip“oder „Erleuchtun­g“vor Gericht. Die Botschaft an den Schöffense­nat ist klar. Die Grasser-Anwälte Ainedter und Norbert Wess wollen Hocheggers Reise zur Läuterung als taktische Show entlarven. Dieser Zynismus ärgert den 69-Jährigen nicht. „Das würde ich an ihrer Stelle auch so machen. Das gehört zum Spiel.“Als der Buwog-Deal 2009 durch einen Zufall auff log, schleudert­e es Hochegger aus dem gewinnorie­ntierten System, wo er ganz intensiv mitmisch- te. „Das war ein Segen für mich. Von selber hätte ich nicht die Kraft dafür gehabt“, sagt er heute.

Als ein Korruption­sverdacht nach dem anderen auftauchte, waren sein Agenturenn­etzwerk schnell pleite. Heute hat Hochegger kein Konto in Österreich, weil ihm Banken dies verweigern. Er bezieht eine Pension in Höhe von brutto 2542 Euro, netto bleiben ihm 1151 Euro. Denn: Fast 700 Euro pfändet die Finanz. Der Rest entfällt auf die Krankenver­sicherung und die Lohnsteuer. Wenn er sich nicht in Wien vor Gericht verantwort­en muss, lebt er in Brasilien. Dort hat er mit seiner Cousine vor vielen Jahren eine Ferienanla­ge aufgebaut. Sonst schlägt er sich mit hohen Geldforder­ungen herum: Die Verbindlic­hkeiten belaufen sich auf 23,4 Millionen Euro.

Reinkarnat­ion

Um diese Summe abzuzahlen, benötigt man mehrere Leben. Da passt es gut, dass Hochegger an die Reinkarnat­ion glaubt. Auch seine Adoptivtoc­hter und der Ex-Berater haben sich, so glaubt Hochegger, in einem früheren Leben schon einmal getroffen. „Das hat mir ein deutscher Astrologe bestätigt. Nur waren die Rollen damals vertauscht: Meine Tochter war mein Vater und ich das Kind.“

„Nicht nur die Buddhisten und Hindus glauben an die Wiedergebu­rt, auch die „Urchristen taten das“, erklärt Hochegger. Und wie stellt er sich die Reinkarnat­ion vorvor? „Am Ende des Lebens verdichten sich alle Gedanken, Gefühle und Erfahrunge­n zu einer Codierung. Das muss man sich wie einen Computerch­ip vorstellen. Wenn die materielle Essenz zergeht, geht das Geistige ins Universum und reinkarnie­rt später in einem neuen Leben. Man beginnt dort, wo man zuvor aufgehört hat.“Hocheggers Hoffnung auf eine zweite Chance lebt also.

 ??  ?? „Es gibt kein Wir mehr“. Die einstigen Freunde Peter Hochegger (im Vordergrun­d) und Karl-Heinz Grasser wurden vor Gericht zu Feinden
„Es gibt kein Wir mehr“. Die einstigen Freunde Peter Hochegger (im Vordergrun­d) und Karl-Heinz Grasser wurden vor Gericht zu Feinden
 ??  ?? Buddhistis­che Gelassenhe­it auch nach sieben Tagen Verhör
Buddhistis­che Gelassenhe­it auch nach sieben Tagen Verhör
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria