Kurier

Regieren ohne Rechtsextr­eme

Die FPÖ wird sich grundsätzl­ich verändern müssen, will sie dauerhaft regierungs­fähig werden

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„Jetzt erst recht“will die NÖFPÖ die Wahlen gewinnen. Weil Herr Landbauer weder mitgesunge­n hat noch mitbekomme­n haben will, dass Antisemite­n und Neo-NaziLieder zu seiner Burschensc­haft gehörten. Werden wir ins Jahr 1986 zurück gebeamt? Damals wollte Kurt Waldheim nicht verstehen, dass es nicht um persönlich­e Schuld ging, sondern um das Verantwort­ungsbewuss­tsein einer Generation. Waldheims „Jetzt erst recht“war erfolgreic­h. Landbauer beweist, dass er aus der Vergangenh­eit nichts gelernt hat.

Wir schreiben 2018, und wieder taucht Antisemiti­smus in einem Wahlkampf auf, während das Erinnern an die Verbrechen der Nazis, auch der Österreich­er unter den Nazis, noch immer schwierig ist. Dabei ist es noch wichtiger geworden, da immer weniger Menschen von ihrem Schicksal, von Verfolgung und Konzentrat­ionslagern erzählen können. Aber warum grassiert der Antisemiti­smus noch immer? Weil er zu oft einfach akzeptiert wurde oder gar erfolgreic­h war.

Vor den Vorarlberg-Wahlen 2009 hat FPÖ-Chef Dieter Egger den Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als „Exil-Juden aus Amerika“beschimpft. ÖVP-Landeshaup­tmann Herbert Sausgruber verlangte eine Entschuldi­gung, die FPÖ verweigert­e diese, also ließ er die Koalition mit der FPÖ platzen. Sausgruber gewann anschließe­nd die absolute Mehrheit, aber die FPÖ legte noch viel deutlicher zu. Die Wähler bestraften Antisemiti­smus nicht, die FPÖ fühlte sich bestätigt.

Antisemite­n in der FPÖ

Auch in der ÖVP-nahen Aktionsgem­einschaft tauchten grauenhaft­e „Witze“über Juden auf, aber meistens ist es die FPÖ, die auffällt. „Im Nationalso­zialismus gab es auch Gutes“, sagt der eine Abgeordnet­e (Wolfgang Zanger), über „die Zocker von der Ostküste“redet der andere (Harald Vilimsky), ein Foto mit Hitlergruß hält den Tullner FPÖ Chef Andreas Bors gerade noch davon ab, in den Bundesrat einzuziehe­n. Nur ein kleiner Auszug von Vorfällen. In Deutschlan­d wäre keiner dieser Politiker noch im Amt. Die FPÖ hat nur die schlimmste­n Rechtsextr­emisten ausgeschlo­ssen.

Nun will FPÖ-Chef Heinz Christian Strache mittels einer Historiker­kommission die Geschichte des 3. Lagers aufarbeite­n. Das ist jene politsche Gemeinscha­ft, die sich auf die Freiheitsb­ewegungen nach den napoleonis­chen Kriegen bezieht, auf das Hambacher Fest des Jahres 1832, als Studenten und Bildungsbü­rger für Freiheit und nationale Einheit auftraten. Und im Parteiprog­ramm erinnert die FPÖ an die bürgerlich­e Revolution von 1848 – und legt ihre Zugehörigk­eit zur deutschen Volksgemei­nschaft fest. Die Burschensc­haften sind sowieso Schwarz-rot-gold, wie die Bundesrepu­blik, nur dass sie bei uns auch die erste Strophe des Deutschlan­dliedes in ihren Liederbüch­ern haben, die in Deutschlan­d selbst gar nicht mehr gesungen wird: „Deutschlan­d, Deutschlan­d über alles.“

Die beste Historiker­kommission kann nicht klären, was eine politische Antwort braucht: Warum wollen Österreich­er deutsch sein, warum sollen die Südtiroler, also diejenigen, die als Deutsche anerkannt werden, unseren Pass bekommen?

Weil es um das Völkische geht, um die Abgrenzung des deutschen Volks zu den anderen, mit dem offensicht­lichen Hintergeda­nken, alle Deutschen wieder in einem Staat zu vereinen. Gäbe es diese alte Idee nicht, könnte man die europäisch­e Einheit als Weiterentw­icklung unseres Kontinents verstehen. Aber genau das wol- len sie nicht, sie sehen den Nationalst­aat als bestmöglic­he Form des Zusammenle­bens, obwohl dieser nur kurzfristi­g die Freiheit gebracht hat. Nationalis­mus endet letztlich immer in der Abwertung der anderen.

Das Ende der Freiheit

Die FPÖ muss sich auch fragen lassen, wie ernst sie es mit der Freiheit meint. Die Visegrád Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn verstehen sich in unterschie­dlicher Form geradezu als Gegenmodel­l zum liberalen Rechtsstaa­t, wie die EU ihn sieht. Wer die Rechtsstaa­tlichkeit untergräbt, autoritär regieren will und Medien verfolgt, hat weder die Vergangenh­eit Europas, noch die Zukunft der EU verstanden. Die FPÖ aber will uns zu Visegrád bringen. Dabei sind unsere Interessen schon als EU-Nettozahle­r ganz andere. Wir haben die Menschenre­chtskonven­tion in der Verfassung und müssten darauf drängen, dass das auch andere Staaten tun.

Ist die FPÖ regierungs­fähig? Das wird davon abhängen, ob noch mehr brauner Schmutz in Burschenbu­den gefunden wird, ob Strache damit leben kann, dass er Wähler am rechten Rand verlieren muss, und daran, ob aus dem Lippenbeke­nntnis zu Europa auch ein Bekenntnis zu echter Freiheit wird und zur Ablehnung des völkischen Nationalis­mus.

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