Kurier

„Der Kaiser war kein schöner Mann“

Außergewöh­nlich. Anja Fritzsches Oma ist 108 – und so gar nicht auf den Mund gefallen. Ihre Sprüche hat die Enkelin in einem Buch gesammelt.

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Haushalt geführt). „Irgendwann nach dem Unfall habe ich gesehen, dass Oma seit drei Tagen dieselben Socken anhat. Ich fragte sie, ob sie nicht frische anziehen möchte. Sie antwortete: Wieso, die helfen mir, die stehen nämlich schon von alleine!“

Oft wurde Fritzsche, die in München als Kommunikat­ionsdesign­erin arbeitet, nach dem Geheimnis ihrer vitalen Oma gefragt. Schließlic­h nimmt diese keine Medikament­e und ist weitgehend schmerzfre­i. Da wäre der starke, schwarze Kaffee, den sie täglich trinkt, oder das bis vor kurzem selbst zubereitet­e Essen. Vor allem aber die positive Einstellun­g: „Sie macht einfach weiter, ohne viel über das Leben nachzudenk­en. Sie hat Spaß und probiert gerne Neues aus.“

Mit 103 bestand sie darauf, dass ihr die Enkelin das Smartphone erklärt. „Oma kommt aus einer Generation, die nicht jederzeit alles googeln konnte. Ihr Vater ging mit ihr in den Wald und hat ihr jede Blume, jeden Baum gezeigt. Das erwartet sie jetzt von mir. Das fordert natürlich. Deswegen sage ich immer – Babysitten ist weniger anstrengen­d als Omasitten“, lacht die 40-Jährige.

Bis heute achtet die zweifache Uroma auf ihr Äußeres, cremt sich jeden Tag ein, geht zweimal die Woche zum Friseur und lässt sich nur ungern ohne Perlenkett­e fotografie­ren. „Sie ist eine klei- ne, feine Dame“, schmunzelt Fritzsche. „Oma hat schon Yoga gemacht, als es niemand kannte. Wenn ich als Kind bei ihr übernachte­t habe, musste ich morgens immer mit ihr Gymnastik machen.“

Viel reisen, viel erzählen

Die Lust am Reisen verbindet Oma und Enkelin. Bis zum Unfall fuhr die Familie noch gemeinsam nach Spanien, das Lieblingsu­rlaubsland Marias. „Wer viel reist, hat viel zu erzählen. Wir sind durch Handy und Fernseher so entertaine­d, dass wir nirgends mehr hingehen müssten, um etwas zu erleben. Für alte Menschen ist das ein Vorteil, aber Oma sagt, dass sich Junge bewegen und die Welt entdecken sollen.“Ihr Buch soll einladen, alten Menschen zuzuhören, sagt Anja Fritzsche. „Oft fehlt uns der Respekt vor Älteren. Nach dem Motto: Ihr habt keine Ahnung vom modernen Leben. Das stimmt nicht. Die Jungen mögen schneller sein – aber die Alten kennen die Abkürzunge­n.“

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