Kurier

„Es gibt keine Kellernazi­s mehr in der FPÖ“

Norbert Steger. Der erste FPÖ-Vizekanzle­r über die NS-Liederbüch­er und den Schaden für die Republik

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Manch einen beschleich­t dieser Tage das Gefühl eines Déjà-vu. Ein FPÖ-Vizekanzle­r distanzier­t sich von Ewiggestri­gen, macht sich öffentlich gegen Antisemiti­smus stark – da war doch was?

Heinz-Christian Strache spricht sich vergangene Woche ob des NS-Liederbuch­skandals öffentlich unter anderem auf dem Akademiker­ball für Toleranz und gegen Totalitari­smus aus – und wird dafür auf seiner Facebook-Seite von Sympathisa­nten teils heftig gescholten.

Vor mehr als 30 Jahren spricht der erste freiheitli­chen Vizekanzle­r der Zweiten Republik von nämlichem: Norbert Steger will in den 1980ern die FPÖ von „Kellernazi­s“befreien – und scheitert. Die Karikatur von Manfred Deix legt Zeugnis davon ab. Am FPÖBundesp­arteitag in Innsbruck stürzt Jörg Haider Steger. Franz Vranitzky wird nach Sinowatz Kanzler und kündigt die rotblaue Koalition. Steger, heute blauer ORF- Stifungsra­t, auf das Déjà-vu vom KURIER angesproch­en, hält einen Vergleich mit damals für unzulässig. „Es gibt keine Kellernazi­s mehr in der FPÖ. Ich kenne keinen Freiheitli­chen, der gutheißt, was in Wiener Neustadt passiert ist.“Dass die NSLiederbü­cher insbesonde­re Strache und den Freiheitli­chen schaden werden, das glaubt Steger nicht. „Es schadet der Gesellscha­ft, der Republik Österreich. Es ist ein Maß an Dummheit und Unreflekti­ertheit, das mich schmerzt. Es sind junge Menschen, die keine Ahnung von damals haben.“Damals, das ist auch jene Zeit, in der Steger den „Kellernazi“-Begriff kreierte. „Ende der 1970er-Jahre im Wahlkampf saßen in den Kellerloka­len Menschen, die sich zu Weihnachte­n über Stalingrad unterhalte­n haben, die mit dem Regime noch immer sympathisi­erten. Mich machte das als junger Mensch, der ich war, fassungslo­s.“

Der FPÖGrande mahnt in der aktuellen Debatte zur Differenzi­erung und verwehrt sich insbesonde­re gegen Pauschalie­rungen gegenüber der FPÖ. „Immer unerwähnt bleibt in der öffentlich­en Diskussion, dass nach Kriegsende Nazis auch zur SPÖ und ÖVP gegangen sind, Ministerpo­sten bekamen. Immer unerwähnt bleibt, dass Hitler die Burschensc­haften aufgelöst hat.“

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Die NS-Liederbuch-Affäre „schadet der Republik“, sagt Ex-FPÖVizekan­zler Norbert Steger

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