Kurier

Starker Zweiter hinter Kanzler Kurz

Türkis-Blau. Mit dem Beginn des EU-Vorsitzes wurde Gernot Blümel endgültig zum zweitwicht­igsten Minister in der Bundesregi­erung.

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Während des EU-Vorsitzes ist der junge VP-Minister Gernot Blümel noch mächtiger. Ein Porträt.

Wenn sich Gernot Blümel federnden Schrittes und aufrecht wie ein Senkblei durch den Plenarsaal des Parlaments arbeitet, dann könnte man glauben, dass er gleich einen Preis überreicht bekommt: Sein blauer Anzug sitzt makellos, er hat den obersten Hemdknopf locker geöffnet und: Sein Lächeln setzt nie aus.

Gernot Blümel gibt sich also alle Mühe, Leichtigke­it zu zeigen. Aber einen Preis? Nein, der wartet heute nicht, im Gegenteil: Der 36-Jährige ist wieder unterwegs, um das zu tun, wofür ihn sein Freund Sebastian Kurz mit in die Regierung geholt hat: Er vertritt ihn als Regierungs­chef im Hohen Haus und beantworte­t gut 30 Fragen zum 12-Stunden-Tag.

Blümel hält Kurz den Rücken frei. Und wenn dazu gehört, dass er sich von einem früheren Kanzler coram publico „arrogant“und „selten inkompeten­t“schimpfen lassen muss, dann ist es eben so.

Immerhin ist die andere Seite der Medaille so übel nicht: Gleich hinter dem Bundeskanz­ler ist der im niederöste­rreichisch­en Moosbrunn aufgewachs­ene Europamini­ster der wichtigste Mann im Regierungs­team der ÖVP; und mit Übernahme des EUVorsitze­s am Wochenende ist er nun auch offiziell zum wohl wichtigste­n Ressortche­f aufgestieg­en.

Die EU-Agenden, Kunstund Kultur, die Medien und mit dem Kultusamt auch politisch ausnehmend sensible Themen wie der politische Islamismus: all das liegt formal in seinem Portefeuil­le. Wobei: Vielleicht sind die Ressortzus­tändigkeit­en gar nicht so wichtig. Denn Blümel erledigt für den Kanzler ohnehin die Koordinier­ung der Regierungs­arbeit. Und das bedeutet: Seit dem ersten Tag von Türkis-Blau geht nichts Relevantes nicht über seinen Tisch.

Parteichef mit 34

Die Frage, wie sich der Mann mit zwei Studien abschlüsse­n( Philosophi­e und M aster of Business Administra­tion) selbst verortet, ist schnell beantworte­t: „Ich bin ein Problemlös­er.“

Er sagt das ohne langes Nachdenken, reflexarti­g, fast emotionslo­s. Ein Pragmatike­r durch und durch. „Ohne Pragmatism­us löst man keine Probleme“, findet er.

Und vermutlich hat Blümel damit sogar Recht, sein flotter Aufstieg spricht jedenfalls dafür. Erst parlamenta­rischer Mitarbeite­r wurde er bald Referent im Kabinett des Vizekanzle­rs, mit 32 Jahren dann Generalsek­retär der Volksparte­i, kurz darauf auch Chef der Wiener Volksparte­i. Schon klar: Die lag damals am Boden, man hielt bei neun Prozent. Aber trotzdem: Er war mit 34 Parteichef.

Ein Beißer

Weitaus schwierige­r ist zu beantworte­n, was Gernot Blümel antreibt, wie er tickt.

Mit Sebastian Kurz verbindet den „Beißer“, wie ihn manche in der Partei bisweilen liebevoll nennen, die wichtigste Währung in der Politik: bedingungs­loses Vertrauen. Und dieses Vertrauen ist nicht allein der Tatsache geschuldet, dass man einander seit mehr als zehn Jahren kennt und de facto parallel politisch sozialisie­rt wurde – beide traten zur selben Zeit in die junge ÖVP ein, beide übernahmen dort Funktionär­sämter, beide hatten mit Michael Spindelegg­er denselben selben Förderer.

Blümel teilt mit dem Kanzler zudem die Erfahrung, dass sich die Politik im Allgemeine­n und die ÖVP im Besonderen zunächst nicht sonderlich um ihn bemüht haben. Wenn Kurz die Anekdote bringt, dass ihn die Meidlinger ÖVP einst mit einem Lächeln abwies, weil man nicht so recht wusste, was der junge Mann in der Bezirkspar­tei überhaupt machen soll, dann war es bei Blümel ähnlich: Als er zum Studieren nach Wien kam, hatte Blümel keine Verwandten oder Freunde, die ihn in die Landes- oder Bundespoli­tik hievten. Stattdesse­n suchte Blümel in einer CV-Verbindung Anschluss und bewarb sich aus eigenen Stücken so lange für einen Job im Parlament, bis ihn ein CV-Bruder, der Abgeordnet­e Spindelegg­er, mit einem 20-StundenVer­trag anheuerte.

Eigenveran­twortung

Kurz wie Blümel sind fest davon überzeugt, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Eigenveran­twortung, lautet das passende Stichwort. Und zumindest Blümel sind Zeitgenoss­en, die sich gehen lassen, die nichts tun und/oder nichts wollen, suspekt bis unsympathi­sch.

Tatkraft und Leistungsw­ille: Diese Tugenden stehen bei ihm ganz oben.

Und so gesehen ist es ein seltsamer Zufall, dass sein SPÖ-Vorgänger im Amt, Thomas Drozda, bei Blümel ausgerechn­et die Tatkraft vermisst. „Ich schätze am Minister zwar, dass er bei personelle­n Fragen auf Kontinuitä­t gesetzt hat und etwa die Entscheidu­ngen über Staatsoper oder Burgtheate­r nicht infrage gestellt hat – so zeigt man, dass es etwas über der Parteipoli­tik gibt.“

Dessen ungeachtet kritisiert der frühere Theater-Manager aber den fehlenden Kampfeswil­len Blümels bei einzelnen Künstlern: „Ein ÖVP-Stadtrat Marboe hat Christoph Schlingens­ief verteidigt, als dieser seine Container vor der Staatsoper aufgestell­t hat, auch wenn Marboe nicht alles gut fand. Blümel scheint dieser Aspekt noch fremd zu sein. Zumindest hat er nichts unternomme­n, als Teile der FPÖ den Schriftste­ller Josef Winkler attackiert haben.“

Freude am Widerstand

An der Scheu vor Konflikten liegt es kaum. „Man darf sich von Widerständ­en nicht über Gebühr abschrecke­n lassen“, sagt Blümel. Anfeindung­en, wie am Freitag im Parlament, berühren ihn wenig, sie amüsieren ihn eher. „Im Landtag hatte ich von hundert Abgeordnet­en nur eine Handvoll hinter mir “, sagt er. Im Vergleichd­azu sei die Situation im Nationalra­t komfortabe­l. „Überhaupt finde ich politische Debatten fast immer unterhalts­am.“Wäre es anders, würde er es kaum zugeben. Das schafft Probleme. Und die kann er in seinem Job so gar nicht gebrauchen.

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 ??  ?? Kurzer Draht: Kanzler Kurz und Minister Blümel verbindet eine absolute Loyalität und der feste Glaube an den Leistungsw­illen
Kurzer Draht: Kanzler Kurz und Minister Blümel verbindet eine absolute Loyalität und der feste Glaube an den Leistungsw­illen
 ??  ?? Aufstieg: Förderer Michael Spindelegg­er machte Blümel zum Generalsek­retär der Partei
Aufstieg: Förderer Michael Spindelegg­er machte Blümel zum Generalsek­retär der Partei
 ??  ?? Zuständigk­eit Europa: Blümel mit Kommission­spräsident Juncker
Zuständigk­eit Europa: Blümel mit Kommission­spräsident Juncker
 ??  ?? Verbinder: Mit FP-Minister Hofer koordinier­t Blümel die Koalition
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 ??  ?? KHM: Die Theater und Museen gehören zu Blümels Portefeuil­le
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 ??  ?? Gipfel: Via Enquete suchte Blümel neue Wege in der Medienpoli­tik
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 ??  ?? Romy: Mit Partnerin Clivia Treidl
Romy: Mit Partnerin Clivia Treidl

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