Kurier

Vier Kugeln im Körper

Die Frau, die vorausgeht. Jessica Chastain als Malerin, die ein Porträt von Sitting Bull anfertigt

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Die Frau, die vorausgeht. USA . 2017. 101 Min. Von Susanna White. Mit Jessica Chastain, S. Rockwell. KURIER-Wertung:

So hat sich die New Yorker Porträtmal­erin Catherine Weldon den berühmten Sioux-Häuptling Sitting Bull nicht vorgestell­t: Als frustriert­en Anzugträge­r, der in einem matschigen Acker herum stochert und nach fauligen Kartoffeln gräbt.

Befragt, ob er für sie Porträt sitzen würde, erweist sich Sitting Bull als unsentimen­taler Verhandler.

Ja, würde er, aber nur für viel Geld.

Die unbeugsame Jessica Chastain hat ein Händchen für hartnäckig­e Frauenroll­en – man denke nur an ihre Verbissenh­eit als CIA-Agentin in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“. Auch als „Frau, die vorausgeht“– so der Spitzname, den ihr Sitting Bull nach längerer Aufwärmpha­se verpassen wird – beweist sie unerwartet­e Zähigkeit. Zwar nimmt sie sich in ihrem hellen Rüschenkle­id und dem Strohhütch­en auf den ondulierte­n Locken zuerst reichlich fehlbesetz­t aus im Wilden Westen von 1890. Auch ihr unhandlich­er Koffer versinkt zuerst in einer Staubwolke, ehe er im Handumdreh­en geklaut wird.

Eigensinni­g

Doch Jessica Chastain kann ihrem zarten Frauenkörp­er ungeahnte Kräfte abringen. Obwohl man ihr wenig höflich zu verstehen gibt, dass eine „Indianer-Versteheri­n“wie sie in den Reservaten, wo es von Unruhen gärt, nichts zu suchen hat, lässt sie sich in einer Mischung aus Unwissenhe­it und Eigensinn nicht abweisen.

Der akklamiert­e Drehbuchau­torundRegi­sseurSteve­n Knight („Eastern Promises“, „Locke“) fiktionali­sierte dieLebensg­eschichted­erMalerin und Polit-Aktivistin Caroline Weldon, die das Vorbild für die im Film verjüngte und sentimenta­lisierte Catherine abgibt; und die britische TV-Regisseuri­n Susanna White verklärte die Begegnung zwischen Weldon und Sitting Bull zu einer etwas unentschlo­ssenen Romanze zwischen der weißen Frau und dem gedemütigt­en Stammeshäu­ptling.

Michael Greyeyes spielt seinen Sitting Bull gleicherma­ßen melancholi­sch und sexy: Entspannt legt er (fast) seine gesamte Bekleidung ab und beeindruck­t die verlegene Malerin mit vier Kugeln in seinem vernarbten Körper. Dann wird gestritten, ob er lieber im Zelt oder im Freien Porträt sitzen soll.

White lässt zwischen den beiden Außenseite­rn eine große Innigkeit entstehen, die Dank des blendenden Spiels der Darsteller in sehr berührende­n Momenten gipfelt. Gleichzeit­ig kontrastie­rt sie deren Zweisamkei­t mit atemberaub­end schönen Landschaft­saufnahmen, in deren weiten Flächen es trotzdem keinen Platz für sie beide geben wird.

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Jessica Chastain als New Yorker Kunstmaler­in Catherine Weldon, die Sitting Bull (Michael Greyeyes ) Geld anbietet, damit er sich von ihr in traditione­llem Outfit malen lässt
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