Späte Erlösung in Ottakring
Reportage. In der Ottakringer Straße wollten die Wiener Kroaten feiern. Das Elfmeterschießen belohnte sie.
In der Ottakringer Straße, Zentrum der ex-jugoslawischen Diaspora, versammelten sich Samstagabend hunderte kroatische Fans, um ihrer Mannschaft gegen Russland die Daumen zu drücken. Egal ob Szenelokal, Café oder Wettbüro: Alle übertragen an diesem Abend das Viertelfinale. Natürlich mit kroatischem Kommentar.
Bereits eine Stunde vor Spielbeginn wimmelt es von Menschen in rot-weiß karierten Trikots. Einige Autos düsen vor den Lokalen mit frisch-folierten Motorhauben, die die kroatische Fahne zeigen. Spätestens um halb acht sind alle Lokale zum Bersten gefüllt, vor Matchbeginn wird die kroatische National- hymne inbrünstig in den Ottakringer Abendhimmel gebrüllt.
Im „Face“an der unteren Ottakringer Straße hängen die Trikots der größten Stars an der Decke des Lokals. Das im Schnitt sehr junge Publikum hat die letzte Goldene Generation, die bei der WM 1998 Dritter wurde, entweder gar nicht oder als Kind miterlebt. „Modric und Rakitic: Das sind die Stars unserer Generation“, sagt ein 17-Jähriger euphorisch. Die ausgelassene Stimmung kippt erstmals, als Tscheryschew das 1:0 der Russen erzielt. Doch wenig später gelingt Kroatien der Ausgleich. Man hüpft und umarmt sich gegenseitig. Erstmals stimmen die Fans lautstark an: „Mi Hrvati!“– „Wir Kroaten!“
Gegenüber stehen kroatische Fans vor einem irischen Pub fast bis auf die Straße. In der Halbzeit zünden ein paar Anhänger bengalische Feuer und Rauchbomben und werfen sie auf die Straße. Die jungen Männer werden prompt von der Polizei, die um die Ottakringer Straße zahlreich ausgerückt ist, ermahnt. Ansonsten geht es zwar lebhaft, aber nicht aggressiv zu.
Auf und Ab
Die Kroaten drücken auf das 2:1, doch das Tor bleibt aus. „Nur keine Verlängerung. Da hab’ ich kein gutes Gefühl“, wünscht sich eine junge Kroatin. Ihr Wunsch bleibt unerfüllt. Die Ottakringer Straße muss noch länger zittern: 2:1, 2:2, Elfmeterschießen. Um 22.51 wurde dann ausgelassen gejubelt.