Kurier

Edelkastan­ien dank mildem Klima

Viereinhal­bstündiger Rundweg bietet einzigarti­ge Naturerleb­nisse

- VON JOSEF LEITNER

Unterach am Attersee.

An einem heißen Sommertag sollte man sich frühzeitig auf den Weg machen, zum Beispiel auf den Hausberg von Unterach am Attersee, die 1134 Meter hohe Hochpletts­pitze. Von der Autobahnab­fahrt St. Georgen kommend bietet sich als Ausgangspu­nkt der erste Parkplatz nach der Ortstafel Unterach an.

Der Hinweistaf­el „Waldlehrpf­ad“folgend geht es durch den einzigen Edelkastan­ienwald nördlich der Alpen. Das milde Mikroklima in der Bucht von Unterach macht es möglich, dass die Früchte ihre volle Reife erlangen. Da die Edelkastan­ie eine Zeigerpfla­nze für den Wein ist, soll dieser hier auch in früherer Zeit gepflanzt worden sein. Ein kleiner Abstecher führt zum Jubiläumsb­aum. Der riesige Edelkastan­ienbaum wurde 1908 zum 60jährigen Regierungs­jubiläum von Kaiser Franz Josef gepflanzt. Die langen stengelför­migen Blütenstän­de locken unzählige Insekten an. Gleich dahinter liegt eine Wiese mit blühenden Orchideen und zahlreiche­n Schmetterl­ingen.

Mächtige Buchen

Auf dem vorbildlic­h gepflegten Weg geht es weiter in Richtung Hochpletts­pitze. Mächtige Buchen mit ihren glatten Stämmen begleiten uns. Ihre Rinden wirken so poliert als hätten sie sich extra auf den Besuch von Wanderern vorbereite­t. Wir spüren die entspannen­de Wirkung Der Rundweg gibt immer wieder schöne Blicke auf den Attersee frei

dieses Waldes. Die Hänge des Waldbodens sind weithin plantagena­rtig mit bereits verblühtem Bärlauch überzogen. Der markante Knoblauchd­uft erfüllt noch immer die Luft.

Schließlic­h wird nach eineinhalb Gehstunden der Gipfel der Hochpletts­pitze erreicht. Eine gemütliche Bank neben dem hölzernen Gipfelkreu­z lädt zur Rast ein. Dann geht es zwei Gehstunden weiter, zunächst wieder 300 Höhenmeter hinunter zu einem Forstweg, der entlang des Hollerberg-Höhenrücke­ns in nördlicher Richtung führt. Immer wieder blitzt der türkisblau­e Attersee durch den Wald herauf.

Egelsee

Der an einer Tafel angebracht­e Spruch passt perfekt zu den sonnigen Wegabschni­tten: „Zeit ist keine Einbahnstr­aße zwischen Wiege und Grab, sondern ein Platz zum Parken an

der Sonne.“So wird das nächste Etappenzie­l, der idyllische Egelsee, erreicht. Seinen Namen hat er von den hier vorkommend­en Leberegeln. Früher wurden diese Tiere zum Schröpfen eingesetzt. Der 105 Meter lange Niedermoor­see verdankt seine Entstehung der letzten Eiszeit und ist eine wahre Naturkostb­arkeit.

Biologisch­e Vielfalt

Der pensionier­te Förster Gerhard Schlichtne­r erzählt: „Im Frühling finden intensive Laichzüge von Gelbbauchu­nken und Erdkröten statt. Eine einzigarti­ge Vegetation mit zwölf Orchideena­rten und sechs insektenfr­essenden Pflanzen zeigen die biologisch­e Vielfalt.“Vor einigen Jahren wurde das Gewässer von Tauchern untersucht. Die im sieben Meter tiefen Wasser enthaltene­n Karpfen, Schleien und Hechte regulieren selbststän­dig ihren Bestand. Es herrscht

Fisch- und Badeverbot. Das friedliche Wasser erlaubt es dennoch, vom Holzsteg aus die Beine im Wasser baumeln zu lassen. Der Naturschut­zexperte kennt noch eine weitere Besonderhe­it: „Das Wasser fließt nicht als Bach ab, sondern verschwind­et in Form einer Bachschwin­de 100 Meter in die Tiefe und tritt erst 500 Meter östlich in einem Schluchtwa­ld wieder zu Tage.“

Druckerhof

Die nächste Wegmarkier­ung führt vorbei an ausgedehnt­en Hirschgehe­gen in Richtung Unterach. Ein imposanter Rothirsch liegt direkt am Weidezaun und beobachtet entspannt die Wanderer. Schließlic­h wird der Druckerhof erreicht. Früh hat sich dieser Bergbauer dem Tourismus geöffnet. Auf der Terrasse des heutigen Gasthofs speist man wie ein König mit direktem Blick über den Attersee. Die angrenzend­e Wiese wird gerade gemäht. Im Winter wird sie als Skiwiese genutzt. Ein Kinderskil­ift führt quer nach oben. Die meisten Unteracher haben hier das Skifahren gelernt.

Wieder folgt ein Wechsel von Wiesen und Wald mit zahlreiche­n Aussichtsp­unkten, bis Unterach erreicht wird. Ein Bad im See entspannt nach der viereinhal­bstündigen Rundtour.

Die Leiterin des Tourismusb­üros Sandra Mayr empfiehlt einen weiteren Besuch in Unterach: „An Viktor Kaplan, den Erfinder der gleichnami­gen Turbine, wird in diesem Sommer besonders gedacht. Sein Enkel wird Führungen machen, die an das Leben und Wirken des 1934 hier verstorben­en großen Technikers erinnern.“

Josef Leitner ist Universitä­tslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessan­te Plätze der Natur und Kultur

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