Helden-Status für die bösen Buben
Kroatien. Die Fans feiern den Semifinal-Einzug, Kapitän Luka Modric hofft nach der WM auf Milde vor Gericht
Man stelle sich vor, ORF-Experte
Herbert Prohaska jubelt im WM-Studio: „Unsere Helden haben keine Hoden, sondern Straußeneier.“Österreichs Bundespräsident sitzt im Stadion in Sotschi neben dem FIFA-Präsidenten und dem russischen Ministerpräsidenten, im rotweiß-roten Fanleiberl. Das ganze Land ist eine einzige Public-Viewing-Zone mit anschließendem Feuerwerk. Selbst im Seniorenheim in Kaiserebersdorf springen die Bewohner bei jedem Tor auf. Und in allen Nachrichtensendungen wird live aus jenem Floridsdorfer Gemeindebau berichtet, in dem Marko Arnautovic aufgewachsen ist.
So geht WM
So geht WM in Kroatien. Das Elfer-Roulette von Sotschi, die leidenschaftlich spielenden Gastgeber und vor allem die Ruhe, mit der Ivan Rakitic zum zweiten Mal binnen weniger Tage den finalen El- fer in die Maschen setzte, warenauchnochamSonntagGesprächsthema Nummer eins.
Nicht nur der Straußeneier-Sager des Fernseh-Kommentators Josko Jelicic machte die Runde, auch ein weiteres Bonmot des inzwischen landesweit bejubelten Teamchefs Zlatko Dalic: „Wir sind jetzt drei Wochen lang kreuz und quer durch Russland geflogen. Jetzt wollen wir uns auch noch Moskau ansehen.“
Das Volksfest im 4,2-Millionen-Einwohner-Land wird am Mittwochabend seine Fortsetzung finden. Und Dejan Lovren, angestellt beim FC Liverpool, freut sich nach der Siegesfeier in der Kabine (erneut mit der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic) auf ein Wiedersehen mit seinen Kollegen aus der englischen Premier League. Denn alle 23 englischen Teamspieler verdienendortihrGeld.Dochwo Licht ist, ist auch Schatten. Lovren drohen wie seinem Landsmann Luka Modric nach der WM private Probleme. Beide waren Spielbälle des Zagreber „Fußball-Paten“Zdravko Mamic, der sie von Dinamo Zagreb nach Lyon bzw. London transferiert und dabei laut Gerichtsurteil viel Geld in die eigenen Taschen gewirtschaftet hat. Mamic wurde vor der WM von einem Gericht in Osijek zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, hat sich aber zuvor nach Bosnien abgesetzt, von wo er nicht nach Kroatien ausgeliefert wird.
Das Problem von Luka Modric: Er hat seine Zeugenaussage nachträglich widerrufen. Ihm droht inzwischen laut Medienberichten eine Haftstrafe wegen Meineids, mit einem Strafrahmen von bis zu sechs Jahren.
Ausgerechnet das Hirn der Mannschaft spaltet die kroatische Gesellschaft. Die einen rufen: Nestbeschmutzer! Freut euch doch über unseren kleinen Ausnahmekönner, lasst ihn endlich in Ruhe mit dieser lästigen Affäre! Die anderen halten dagegen: Wenn er vor Gericht die Unwahrheit gesagt hat, muss er so wie jeder andere Bürger ins Gefängnis, mit diesem korrupten Filz aus Politik, Sport und Wirtschaft muss endlich Schluss sein!
Ausnahmestellung