Kurier

Strengere Regeln für Wiener Hunde

Gesetzesno­velle. Generelle Maulkorb- und Leinenpfli­cht für Listenhund­e / 0,5-Promille-Grenze für Hundehalte­r

- VON BERNHARD ICHNER UND DANIEL MELCHER

Gesetzesno­velle. Die Stadt verordnet eine Beißkorbpf­licht für Listenhund­e und eine 0,5-PromilleGr­enze für deren Halter.

Der tragische Fall von Waris C. brachte den Stein ins Rollen. Nachdem der Rottweiler einer alkoholisi­erten Wienerin dem einjährige­n Buben tödliche Bissverlet­zungen zufügte, reagiert die Politik mit der mittlerwei­le 12. Novelle des Tierhalteg­esetzes.

Sie bringt massive Verschärfu­ngen für Mensch und Tier mit sich: So gilt für Listenhund­e (siehe Kasten rechts) in der Bundeshaup­tstadt künftig eine generelle Maulkorb- und Leinenpfli­cht. Zudem wird ein Alkohollim­it für Halter solcher Vierbeiner eingeführt. Die Grenze liegt analog zu Autolenker­n bei 0,5 Promille. Die Maßnahmen sind Teil jenes Pakets, das die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Wiens Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl am Mittwoch präsentier­ten.

Hohe Strafen

Maulkorb und Leine sind Listenhund­en künftig außer in umzäunten Hundezonen überall anzulegen. In sogenannte­n Hundeausla­ufzonen reicht der Maulkorb.

Verstöße gegen die neuen Regeln, die am 25. Oktober im Landtag beschlosse­n und noch heuer in Kraft treten sollen, kommen teuer. „Vergisst“der Halter, dem Tier einen Beißkorb anzulegen, drohen beim ersten Mal 200 Euro Strafe plus sechs Stunden Nachhilfe bei einem behördlich zertifizie­rten Hundetrain­er. Beim zweiten Verstoß muss der Hundeführs­chein wiederholt werden und beim dritten Mal wird der Hund von der Behörde abgenommen. Letzteres passiert auch, wenn ein Mensch gebissen wird. Verstöße gegen die Leinenpfli­cht werden mit mindestens 100 Euro geahndet.

Noch empfindlic­her will die Politik Alkosünder und Drogenkons­umenten amhinteren Ende der Leine treffen: Wer zu berauscht ist, um seinen Listenhund unter Kontrolle zu halten, wird mit 1000 Euro bestraft. Kontrollie­rt werde, wo die Beeinträch­tigung des Halters offensicht­lich sei, sagt Pürstl.

Und wer einen gelisteten Hund jemandem ohne Hundeführs­chein zum Aufpassen überlässt, riskiert ebenfalls eine Strafe: 200 Euro beim ersten Mal bzw. die Abnahme des Tieres im Wiederholu­ngsfall.

Nachgeschä­rft wird aber auch bei der Ausbildung der Hunde bzw. ihrer Besitzer. Zum einen wird der Praxisteil des seit 2010 gesetzlich vorgeschri­ebenen Hundeführs­cheins erweitert. Zum anderen ist die Lizenz zum Listenhund­ebesitz künftig befristet. Die Prüfung muss nach zwei Jahren wiederholt werden. Zeitgleich erweitert die Stadtregie­rung die Kom- petenzen der Hundeführs­chein-Prüfer. Diese können in Zukunft Wiederholu­ngsprüfung­en, Schulungen oder zusätzlich­e Trainingse­inheiten anordnen.

Ein weiterer Punkt: Die Zucht von Listenhund­en wird in Wien verboten.

Bissigere Listenhund­e

Ein Hundeführs­chein wird künftig zwar auch bei allen anderen Hunden behördlich vorgeschri­eben, wenn sie einen Menschen beißen. In Simas Büro streicht man aber ausdrückli­ch hervor, dass der größte Anteil von Bissvorfäl­len Listenhund­en zuzurechne­n seien und nicht etwa Schäferhun­den, wie immer wieder behauptet werde.

So habe es von 2015 bis heute Wien-weit 412 Bissvorfäl­le gegeben – 64 durch Listen- und 13 durch Schäferhun­de. Von Ersteren gibt es in der Stadt 3335, von Letzteren 2311 – bei 55.581 gemeldeten Hunden insgesamt. „Sechs Prozent der Hunde sind also für 16 Prozent der Bisse verantwort­lich“, sagt Simas Sprecherin über die potenziell gefährlich­eren Rassen. Die 4,1 Prozent Schäferhun­de seien für 3,1 Pro- zent der verantwort­lich.

Kritik am neuen Gesetz kommt von Tierschutz­organisati­onen und Hundehalte­rn. So kommt den „Vier Pfoten“das Thema Auf klärung viel zu kurz. Sima und Pürstl seien „den einfachen Weg gegangen, der Wähler rasch zufriedens­tellen soll“, meint Kampagnenl­eiterin Martina Pluda. Die Rasse eines Hundes sage aber nicht zwangsläuf­ig etwas über seine Gefährlich­keit aus – wie ein aktueller Fall aus NÖzeige, wo ein Kleinkind von einem Dackel gebissen wurde. Die „Vier Pfoten“plädieren deshalb für einen verpflicht­enden Hundeführs­chein für alle Hundehalte­r.

Eine „anlassbezo­gene Verschlimm­besserung“ortet auch Madeleine Petrovic, die Präsidenti­n des Wiener Tierschutz­vereins. Und Gerald Pötz, Vorstand des Österreich­ischen Hundehalte­rverbands, sieht ebenfalls mehrere Problempun­kte. So widersprec­he etwa eine generelle Maulkorbpf­licht einer artgerecht­en Hundehaltu­ng. Zudem würden 80 Prozent aller Bisse im privaten Umfeld der Halter passieren – „wo all diese Auflagen nicht greifen“. Fälle

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