Kurier Magazine - Routen fur Geniesser
WENIGER WOHNMOBIL IST MEHR FREIHEIT
Mit dem Mercedes V-Klasse Marco Polo auf Familien-Testfahrt, um die Vor- und Nachteile so eines kompakten Campers im Vergleich zu ausgewachsenen Wohnmobilen zu erkunden.
Kindheitserinnerungen an einen Familienurlaub mit dem Auto sind nicht immer positiv: Stundenlange Staus zu Ferienbeginn, alles ist eng und bis zum Dach vollgepackt und diese Hitze – man vergisst schnell, dass es in normalen Autos früher keine Klimaanlage gab. Zumeist dauerte die Reise aus Sicht der Kinder auch viel zu lange. Aber all das war es wert, denn in Wahrheit ist es nicht nur spannend und lustig, mit dem Auto zu verreisen. Man ist frei und ungebunden und kann fahren, wohin man will. Viele Menschen versuchen dieses Gefühl und die Vorteile einer Autoreise zu perfektionieren, indem sie sich ein Wohnmobil zulegen. Bei einer Neuanschaffung braucht man da schon mal 50.000 € aufwärts und dann steht das edle Stück bis auf ein paar Wochen im Jahr in der Garage oder im Hinterhof. Daher gibt es auch kleinere Varianten wie den VW California oder den Mercedes VKlasse Marco Polo. Die Frage ist nur, was solche Modelle für Vorteile gegenüber den größeren Wohnmobilen bieten. Ein Praxistest sollte Aufschluss darüber geben.
Die Reise geht von Langenlois nach Bregenz. Gepackt ist schnell: Zwei Erwachsene, zwei Kinder. Warme Kleidung, Reserveschuhe für jeden, Unterwäsche, Zahnbürsten, Hauben, Schwimmsachen, Kuscheltiere et cetera. Das Übliche eben. Ein riesiger Haufen Gepäck liegt im Vorzimmer und Papa beginnt einzuladen. Im Normalfall mit Schweißperlen auf der Stirn, aber der Raum im Marco Polo ist mehr als ausreichend. Selbst das Picknickgeschirr findet in eigenen Laden der Bordküche Platz – es empfiehlt sich, kleine Stoffbeutel zu verwenden, da das Besteck sonst in jeder schnellen Kurve klappert. Problemlos wird alles verstaut und es geht los. Im Fahrbetrieb fühlt sich der Marco Polo fast wie ein Pkw an und tritt völlig in den Hintergrund. Der 190-PS-Diesel und die 7-Gang-Automatik sind durchwegs souverän. Das ist eindeutig ein Punkt für die kompakten Wohnmobile gegenüber den Kollegen mit Aufbau, die doch mehr ein Lkw-Gefühl vermitteln. Die Kinder verlangen nach einer Pause und haben Hunger – erwartungsge- mäß. Eine Rast auf einem Parkplatz kommt nicht in Frage, denn es schüttet wie aus Kübeln. Rein in die teure Raststation zur Jause? Nein! Vordersitze umgedreht, Klapptisch hoch, Kühlschrank auf und es geht los. Anschließend noch eine Runde Uno und die Kinder sind wieder glücklich und lauschen weiter ihrem Hörbuch. Wir verbringen drei Tage bei Freunden in Bregenz und der Marco Polo wartet geduldig auf einem normalen Parkplatz vor dem Haus. Obwohl es sich um die Langversion der V-Klasse handelt ist es kaum ein Problem, einen Parkplatz zu finden - abgesehen von der Innenstadt vielleicht, aber dort gibt es zum Glück Parkgaragen, die mit der Höhe des Marco Polo von knapp unter zwei Metern auch gut befahrbar sind. Ein weiterer Punkt für den Marco Polo. Die großen Wohnmobile kreisen in solchen Situationen durch die Gassen (wenn sie überhaupt in den Ort reinfahren dürfen) oder müssen auf den Campingplatz. Der Heimweg wird spontan um eine Nacht verlängert, da ein Besuch im Kindermuseum München geplant ist. Es gilt daher einen Lagerplatz zu finden. Wir entscheiden uns für den Ammersee und suchen uns am Ufer ein schönes Platzerl – mit dem 4MatikAllradantrieb ist das eine Leichtigkeit. Nachdem das Dach des Marco Polo mit zwei Handgriffen aufgemacht ist, kann man im Inneren problemlos stehen. Die Standheizung sorgt recht schnell für wohlige Wärme. Auf den beiden Gaskochstellen ist im Handumdrehen ein Essen gezaubert. Pyjama anziehen, waschen und Zähne putzen. Und dann geht der Punkt an die großen Wohnmobile, denn wir müssen noch mal raus in die Kälte, um die Blase zu entleeren. Ein WC gibt es nämlich nicht im Marco Polo. Ein weiterer Punkt entgeht dem kompakten Camper beim Aufbau der Betten. Oben ist schnell erledigt: Liegefläche runter, fertig. Auch unten kein Thema: Die Sitze werden elektrisch umgeklappt, die aufblasbaren Sitzwangen der Rückbank lassen dabei automatisch die Luft ab. Das ist auch erwünscht so, denn im Liegen braucht man keinen Seitenhalt. Aber dann stellt sich die Frage: Wohin mit dem Gepäck? Immerhin ist die Kofferraumabdeckung Teil der Liegefläche. Also wird umgeschlichtet. Zugege-
ben: Wir hätten sicher von Beginn an besser packen und die Schränke einräumen können, aber das Schlichten bleibt einem bei Gepäck für vier Personen einfach nicht erspart. Im vorderen Bereich des Wagens ist alles schnell verstaut und schon beginnt die Verteilung der Schlafplätze: Die oberen Plätze haben klimatisch Zeltcharakter und sind dementsprechend bei niedrigeren Außentemperaturen kälter als die unteren, welche durch die Standheizung temperiert werden können. Aber in Wahrheit ist das kein Nachteil, denn ein Schlafsack ist schnell eingepackt und braucht kaum Platz. Wir schlafen alle wie Babys – auch die großen – bis uns die Vögel im Kanon mit dem Morgenverkehr der Landstraße aufwecken.
Nach dem Frühstück geht es weiter in Richtung München. Das Kindermuseum ist am Hauptbahnhof. Na toll! Wohin mit dem Auto? Parkgarage denkt der Erfahrene und biegt in die erstbeste ein. Maximale Einfahrtshöhe 1,95 m. Da kann selbst der Marco Polo nicht mit. Dann eben der kostenpflichtige Innenhof des Nebengebäudes. Nach einigen Stunden Museumsbesuch fahren wir Richtung Heimat und freuen uns aufs nächste Wochenende, wenn es mit dem Marco Polo wieder auf Achse geht. Dazwischen allerdings werde ich damit in die Arbeit fahren, denn das ist der größte Pluspunkt der Wohnmobile in dieser Größenkategorie: Sie sind alltagstauglich und müssen sich daher nicht den Großteil des Jahres die Reifen platt stehen. Bei betrieblicher Nutzung sind Fahrzeuge wie die V-Klasse Marco Polo sogar vorsteuerabzugsberechtigt.