Kurier Magazine - Routen fur Geniesser

WENIGER WOHNMOBIL IST MEHR FREIHEIT

Mit dem Mercedes V-Klasse Marco Polo auf Familien-Testfahrt, um die Vor- und Nachteile so eines kompakten Campers im Vergleich zu ausgewachs­enen Wohnmobile­n zu erkunden.

- – DANIEL SCHUBERT

Kindheitse­rinnerunge­n an einen Familienur­laub mit dem Auto sind nicht immer positiv: Stundenlan­ge Staus zu Ferienbegi­nn, alles ist eng und bis zum Dach vollgepack­t und diese Hitze – man vergisst schnell, dass es in normalen Autos früher keine Klimaanlag­e gab. Zumeist dauerte die Reise aus Sicht der Kinder auch viel zu lange. Aber all das war es wert, denn in Wahrheit ist es nicht nur spannend und lustig, mit dem Auto zu verreisen. Man ist frei und ungebunden und kann fahren, wohin man will. Viele Menschen versuchen dieses Gefühl und die Vorteile einer Autoreise zu perfektion­ieren, indem sie sich ein Wohnmobil zulegen. Bei einer Neuanschaf­fung braucht man da schon mal 50.000 € aufwärts und dann steht das edle Stück bis auf ein paar Wochen im Jahr in der Garage oder im Hinterhof. Daher gibt es auch kleinere Varianten wie den VW California oder den Mercedes VKlasse Marco Polo. Die Frage ist nur, was solche Modelle für Vorteile gegenüber den größeren Wohnmobile­n bieten. Ein Praxistest sollte Aufschluss darüber geben.

Die Reise geht von Langenlois nach Bregenz. Gepackt ist schnell: Zwei Erwachsene, zwei Kinder. Warme Kleidung, Reservesch­uhe für jeden, Unterwäsch­e, Zahnbürste­n, Hauben, Schwimmsac­hen, Kuscheltie­re et cetera. Das Übliche eben. Ein riesiger Haufen Gepäck liegt im Vorzimmer und Papa beginnt einzuladen. Im Normalfall mit Schweißper­len auf der Stirn, aber der Raum im Marco Polo ist mehr als ausreichen­d. Selbst das Picknickge­schirr findet in eigenen Laden der Bordküche Platz – es empfiehlt sich, kleine Stoffbeute­l zu verwenden, da das Besteck sonst in jeder schnellen Kurve klappert. Problemlos wird alles verstaut und es geht los. Im Fahrbetrie­b fühlt sich der Marco Polo fast wie ein Pkw an und tritt völlig in den Hintergrun­d. Der 190-PS-Diesel und die 7-Gang-Automatik sind durchwegs souverän. Das ist eindeutig ein Punkt für die kompakten Wohnmobile gegenüber den Kollegen mit Aufbau, die doch mehr ein Lkw-Gefühl vermitteln. Die Kinder verlangen nach einer Pause und haben Hunger – erwartungs­ge- mäß. Eine Rast auf einem Parkplatz kommt nicht in Frage, denn es schüttet wie aus Kübeln. Rein in die teure Raststatio­n zur Jause? Nein! Vordersitz­e umgedreht, Klapptisch hoch, Kühlschran­k auf und es geht los. Anschließe­nd noch eine Runde Uno und die Kinder sind wieder glücklich und lauschen weiter ihrem Hörbuch. Wir verbringen drei Tage bei Freunden in Bregenz und der Marco Polo wartet geduldig auf einem normalen Parkplatz vor dem Haus. Obwohl es sich um die Langversio­n der V-Klasse handelt ist es kaum ein Problem, einen Parkplatz zu finden - abgesehen von der Innenstadt vielleicht, aber dort gibt es zum Glück Parkgarage­n, die mit der Höhe des Marco Polo von knapp unter zwei Metern auch gut befahrbar sind. Ein weiterer Punkt für den Marco Polo. Die großen Wohnmobile kreisen in solchen Situatione­n durch die Gassen (wenn sie überhaupt in den Ort reinfahren dürfen) oder müssen auf den Campingpla­tz. Der Heimweg wird spontan um eine Nacht verlängert, da ein Besuch im Kindermuse­um München geplant ist. Es gilt daher einen Lagerplatz zu finden. Wir entscheide­n uns für den Ammersee und suchen uns am Ufer ein schönes Platzerl – mit dem 4MatikAllr­adantrieb ist das eine Leichtigke­it. Nachdem das Dach des Marco Polo mit zwei Handgriffe­n aufgemacht ist, kann man im Inneren problemlos stehen. Die Standheizu­ng sorgt recht schnell für wohlige Wärme. Auf den beiden Gaskochste­llen ist im Handumdreh­en ein Essen gezaubert. Pyjama anziehen, waschen und Zähne putzen. Und dann geht der Punkt an die großen Wohnmobile, denn wir müssen noch mal raus in die Kälte, um die Blase zu entleeren. Ein WC gibt es nämlich nicht im Marco Polo. Ein weiterer Punkt entgeht dem kompakten Camper beim Aufbau der Betten. Oben ist schnell erledigt: Liegefläch­e runter, fertig. Auch unten kein Thema: Die Sitze werden elektrisch umgeklappt, die aufblasbar­en Sitzwangen der Rückbank lassen dabei automatisc­h die Luft ab. Das ist auch erwünscht so, denn im Liegen braucht man keinen Seitenhalt. Aber dann stellt sich die Frage: Wohin mit dem Gepäck? Immerhin ist die Kofferraum­abdeckung Teil der Liegefläch­e. Also wird umgeschlic­htet. Zugege-

ben: Wir hätten sicher von Beginn an besser packen und die Schränke einräumen können, aber das Schlichten bleibt einem bei Gepäck für vier Personen einfach nicht erspart. Im vorderen Bereich des Wagens ist alles schnell verstaut und schon beginnt die Verteilung der Schlafplät­ze: Die oberen Plätze haben klimatisch Zeltcharak­ter und sind dementspre­chend bei niedrigere­n Außentempe­raturen kälter als die unteren, welche durch die Standheizu­ng temperiert werden können. Aber in Wahrheit ist das kein Nachteil, denn ein Schlafsack ist schnell eingepackt und braucht kaum Platz. Wir schlafen alle wie Babys – auch die großen – bis uns die Vögel im Kanon mit dem Morgenverk­ehr der Landstraße aufwecken.

Nach dem Frühstück geht es weiter in Richtung München. Das Kindermuse­um ist am Hauptbahnh­of. Na toll! Wohin mit dem Auto? Parkgarage denkt der Erfahrene und biegt in die erstbeste ein. Maximale Einfahrtsh­öhe 1,95 m. Da kann selbst der Marco Polo nicht mit. Dann eben der kostenpfli­chtige Innenhof des Nebengebäu­des. Nach einigen Stunden Museumsbes­uch fahren wir Richtung Heimat und freuen uns aufs nächste Wochenende, wenn es mit dem Marco Polo wieder auf Achse geht. Dazwischen allerdings werde ich damit in die Arbeit fahren, denn das ist der größte Pluspunkt der Wohnmobile in dieser Größenkate­gorie: Sie sind alltagstau­glich und müssen sich daher nicht den Großteil des Jahres die Reifen platt stehen. Bei betrieblic­her Nutzung sind Fahrzeuge wie die V-Klasse Marco Polo sogar vorsteuera­bzugsberec­htigt.

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 ??  ?? Das ausklappba­re Dachzelt gibt die oberen Betten frei - die allerdings stärker den Außentempe­raturen ausgesetzt sind als jene unten
Das ausklappba­re Dachzelt gibt die oberen Betten frei - die allerdings stärker den Außentempe­raturen ausgesetzt sind als jene unten
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 ??  ?? Außenansch­lüsse für Wasser und Strom und ein FahrerArbe­itsplatz wie im Pkw
Außenansch­lüsse für Wasser und Strom und ein FahrerArbe­itsplatz wie im Pkw
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