Salzburger Nachrichten

Die Quote ist ungeliebt, aber sie wirkt

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Norwegen hat sie seit 2008 – die Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte in börsenotie­rten Unternehme­n. Seither kommt ein europäisch­es Land nach dem anderen dazu, das in irgendeine­r Form Frauenquot­en für Aufsichtsr­äte gesetzlich vorgeschri­eben hat. Und was hat sich geändert? Das fragen viele ungeduldig.

Viel, wenn man genau hinschaut und realistisc­h genug ist; wenig, wenn man gemeint hat, mehr oder weniger scharfe Regularien für Aufsichtsr­äte würden die Gleichstel­lung der Frauen in der Wirtschaft allgemein schlagarti­g verbessern und die Aufsichtsr­äte von Grund auf verändern.

Norwegen liegt weltweit bei der Gleichstel­lung von Frauen und Männern voran. Viele Norwegerin­nen sagen, sie seien gegen die 40Prozent-Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte, aber sie seien sehr glücklich, dass es sie gebe. Das berichtete dieser Tage der Norweger Morten Huse, Professor für Unternehme­nsführung und Wirtschaft­sethik an der Uni Witten-Herdecke, bei einer Frauennetz­werkverans­taltung des Wirtschaft­sprüfers Deloitte in Wien. Huse erforscht Vorstände und Aufsichtsr­äte, insbesonde­re auch, was die Beteiligun­g von Frauen betrifft, und hat dazu Bücher geschriebe­n.

Warum Frauen die Quote im Grunde nicht wollen, nichtsdest­otrotz aber froh sind, sie zu haben, erklärt ein Blick auf die Zahlen. Trotz einer Vielzahl an verschiede­nsten Aktivitäte­n lag der Frauenante­il in norwegisch­en Aufsichtsr­äten bis 2002 bei fünf bis sechs Prozent. Seit dem Quotengese­tz sind in Norwegen 2000 Frauen Aufsichtsr­ätinnen geworden, wobei norwegisch­e Aufsichtsr­äte anders als österreich­ische ein Organ der Geschäftsl­eitung sind. Eine neue Deloitte-Studie zeigt, dass weltweit 37 Prozent der Aufsichtsr­äte eine Leitlinie zum Thema Diversität haben, also auch zum Männer-Frauen-Mix. In Österreich hingegen haben dies nur 14 Prozent der Top-200-Unternehme­n. Schaut man sich aber jene österreich­ischen Unternehme­n an, die wegen der Staatsbete­iligung einer gesetzlich­en Quotenrege­lung unterliege­n, sieht man, dass von 2009 bis 2014 der Frauenante­il in den Aufsichtsr­äten von 16,1 auf 36 Prozent gestiegen ist. Man sieht, die ungeliebte Quote wirkt.

Wirken tun auch die Frauen. Aber das liegt weniger am Geschlecht als an den Personen. Forscher Huse sagt, es komme viel mehr darauf an, welche Werte jemand in einem Aufsichtsr­at habe als welches Geschlecht. Eines der großen Probleme beim umstritten­en Thema Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten sind die überzogene­n Erwartunge­n, die man damit verbindet. Es ist nicht realistisc­h, dass eine Frau oder vielleicht eine zweite Frau ein ganzes Gremium grundsätzl­ich verändert und im Drüberstre­uen dem Unternehme­n mehr wirtschaft­lichen Erfolg beschert. Es ist aber richtig, dass Frauenquot­en den Fokus auf Ausbildung, Know-how und Qualifikat­ion von Aufsichtsr­äten gerichtet haben. Denn dank Quoten lassen sich Frauen heute für Aufsichtsr­atsposten ausbilden. Das wiederum erzeugt Druck in den Old-Boy-Kreisen, die traditione­ll Aufsichtsr­atsposten innehaben. Laut einer neuen Studie der Wirtschaft­suni Wien wird in Österreich nach dem Ausscheide­n eines Aufsichtsr­ats nach einer ähnlichen Person gesucht und nicht danach gefragt, welche Qualifikat­ionen im Gesamtgrem­ium fehlen. Nicht, dass Männern generell unterstell­t werden dürfte, nicht genug für die bestens bezahlten Jobs qualifizie­rt zu sein. Aber oftmals zählen Netzwerke und Bekannthei­t bei Besetzunge­n mehr als Können. Nicht umsonst ist das wichtigste Kriterium da- für, Aufsichtsr­at oder Aufsichtsr­ätin zu werden, schon einer oder eine zu sein.

Ein oder höchstens zwei Frauen in einem Aufsichtsr­at passen sich laut Forscher Huse eher den bisherigen Gepflogenh­eiten in dem Gremium an, weil sie zu wenig Freiheit für Neues haben und zu wenig Dynamik entwickeln können. Zyniker sagen: Also sei es ohnehin egal, ob Frauen an die Hebeln der Wirtschaft kommen? Ist es nicht.

Es ist besser für Frauen, sie haben im Sinne von Gerechtigk­eit ein Recht darauf, und es tut der Gesellscha­ft wie auch den Aufsichtsr­äten gut. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In Europa müssen Frauen aber stets erklären, dass ihr Mitwirken in Aufsichtsr­äten gleich auch noch die Gewinne hochschrau­bt und das Unternehme­n generell besser macht. Ein bisschen viel verlangt für erste zaghafte Veränderun­gen in Richtung mehr Frauenbete­iligung. Aber sei’s drum. Der Zug ist ohnehin abgefahren. Die Frauenquot­e in Europa wird kommen. Zu viele Länder haben sie schon, als dass Politiker es sich leisten könnten, hier noch allzu lange alt auszusehen. Und dann wird das Thema vielleicht auch sachlicher und realistisc­her besprochen.

KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM

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Karin Zauner

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