Die Flüchtlinge, die Crowd und die Digitalisierung
Wetten, dass Menschen und Wirtschaft genug Quartiere bereitstellen würden? Allerdings müsste die Politik dafür neue Wege gehen.
Wir leben in einem der weltweit reichsten Länder, in dem es nicht nur mehr Handys, sondern auch mehr Betten als Einwohner gibt. Jeder weiß um leer stehende oder kaum genutzte Wohnungen in seiner Nähe, sei es für private oder touristische Nutzung. Warum also müssen Flüchtlinge mangels fester Quartiere in Zeltstädten untergebracht werden, ähnlich einem ärmlichen Katastrophengebiet?
Eigentlich nur deshalb, weil die Politik veraltete Methoden nutzt. Würde sie die Kraft sozialer Netzwerke im Internet sowie direkter Kommunikation mit und zwischen den Bürgern (Peer-to-Peer) nutzen, hätte die Innenministerin vermutlich kein Problem, genügend Quartiere aufzutreiben. In Zeiten der Digitalisierung geht es darum, passende Plattformen zu schaffen: Warum gibt es nicht längst ein Internetportal, über das wir Bürger nicht nur direkt herausfinden können, welche Hilfe nötig ist und welche Voraussetzungen es für eine Unterbringung von Flüchtlingen braucht, sondern auch, wo man private Hilfsangebote wie Quartiere, Haushaltsartikel oder Betreuungsangebote direkt anbieten kann? Wo Freiwillige, die helfen wollen, sich gegenseitig vernetzen?
Die Macht der Crowd, der Bevölkerung und Unternehmen, sollte man nicht unterschätzen, was die Umsetzung staatlicher Aufgaben betrifft: In den USA gibt es seit Jahren eine OpenGovernment-Initiative, welche die direkte Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bevölkerung fördert (www.white-house.gov/open). In rund 300 Wettbewerben haben Bürger den Behörden geholfen, ihre Aufgaben zu lösen, von der Raumfahrtbehörde NASA bis zu Umweltschutzbehörden. Denn eines zeigt sich immer wieder: Manche Probleme lassen sich dezentral besser lösen als zentral.
Warum nicht das Prinzip Crowdsourcing auch in der Flüchtlingspolitik nutzen? Eine frei zugängliche Internetplattform, begleitet von einer Mobilisierungskampagne, professionell abgewickelt über eine Nichtregierungsorganisation im Auftrag des Innenministeriums, kostet nicht viel Geld. Sie würde eine direkte Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ermöglichen. Die Ministerin würde sich beschämende Bittgesuche bei Landes- und Kommunalpolitikern sparen, die doch nur abgeschmettert werden. Menschen, die helfen wollen, würden so sichtbar – als Teil einer positiven Gegenöffentlichkeit. Und die Flüchtlinge könnten breiter verteilt werden als heute. Denn eines ist klar: Massenquartiere sind nur der letzte Ausweg.