Salzburger Nachrichten

Dänemark vergrault Flüchtling­e

Dänemark kürzt die monatliche Unterstütz­ung für Asylsuchen­de. Zudem will es Flüchtling­e per Zeitungsan­noncen abschrecke­n. Im Nachbarlan­d Schweden heißt man sie willkommen – noch.

- SN-gudo, dpa

Wie viel Geld bekommen Flüchtling­e in Dänemark zum Leben? Eigentlich keine schwierige Frage. Die Antwort will die Pressechef­in des dänischen Integratio­nsminister­iums trotzdem am liebsten gar nicht rausrücken. Aus Sorge, dass „dann nur noch mehr kommen“, sagt sie. Dafür, dass künftig weniger Flüchtling­e ins Land kommen, tut die dänische Regierung einiges. Eine Asylreform, die am 1. September in Kraft tritt, soll Dänemark „weniger attraktiv“für Flüchtling­e machen. Die wichtigste­n Punkte daraus:

- Alleinsteh­ende ohne Kinder bekommen künftig nur noch etwa die Hälfte der bisherigen Beihilfe, nämlich knapp 6000 Kronen, umgerechne­t sind das 800 Euro. Dieses Geld muss erst versteuert werden, wobei die Steuern in Dänemark vergleichs­weise hoch sind.

- Einem Ehepaar mit Kindern stehen mit umgerechne­t etwa 2200 Euro rund 1750 Euro weniger pro Monat zu als vor der Reform.

- Wer als Ausländer Dänisch lernt und eine Sprachprüf­ung besteht, bekommt dafür zusätzlich umgerechne­t 200 Euro im Monat.

Während Dänemark also deutlich auf Abschrecku­ng setzt, empfängt das Nachbarlan­d Schweden Asylbewerb­er noch mit offenen Armen. Doch in beiden Ländern schüren Rechtspopu­listen mit Erfolg die Angst vor der Bedrohung durch den Flüchtling­sstrom. Und zwingen die anderen Parteien zum Handeln.

Den Schwedende­mokraten haben Unsicherhe­it und Unruhe zu gewaltigen Popularitä­tszuwächse­n verholfen. Dass sie in jüngsten Umfragen bei knapp 18 Prozent Zustimmung liegen, ist der aufgeheizt­en Asyldebatt­e zu verdanken, meint die politische Kommentato­rin Ewa Stenberg in der Zeitung „Dagens Nyheter“: „Es gibt eine große Wählergrup­pe in Schweden, die den Flüchtling­sstrom verringern will.“Sie fühle sich von den Rechtspopu­listen am besten vertreten. Denn die sprechen sich im Gegensatz zu den anderen Parteien schon seit Langem laut für eine Begrenzung der Einwanderu­ng aus.

In Dänemark macht die Regierung keinen Hehl aus ihren Absichten, die Zahl der Flüchtling­e zu begrenzen. Die dortige Integratio­nsminister­in Inger Støjberg ist in diesen Tagen in ihrem Element. Kaum ist die Reform mit den Kürzungen im Parlament durch, kündigt sie im dänischen Fernsehen die nächsten Maßnahmen an: „Es kommen noch eine ganze Menge andere Dinge im Ausländerb­ereich.“Auch Flüchtling­e, die schon da sind, sollen weniger Geld bekommen – und damit einen größeren Anreiz haben, sich Arbeit zu suchen. Ausländer sollen es schwerer haben, dänische Staatsbürg­er zu werden. Durch Annoncen in ausländisc­hen Zeitungen will Støjberg Flüchtling­en vermitteln, dass es sich nicht lohnt, nach Dänemark zu kommen.

Nicht alle dieser Vorschläge stammen von Støjberg und ihrer liberalen Partei Venstre, die Dänemark in der Minderheit regiert, selbst. Viele stehen auf der Wunschlist­e der Dänischen Volksparte­i (DF), der Architekti­n und Antreiberi­n der harten Asylpoliti­k Dänemarks. Die Rechtspopu­listen würden am liebsten eine Videokampa­gne nach dem Vorbild der australisc­hen Regierung starten, um Flüchtling­e von der Reise in den Norden abzuhalten.

Doch es gibt auch eine ganze Reihe Parteien, die dagegenhal­ten. Die linke Opposition bringen die Vorschläge zum Rasen. Niemals schreckten die niedrigere­n Hilfen Menschen auf der Flucht ab; die „Anti-Integratio­ns-Hilfen“führten nur zu „massiver Armut“, sagt Johanne Schmidt-Nielsen von der linken Einheitsli­ste. Die Jobzentren betonen, dass es den Flüchtling­en nicht an Motivation mangle, sondern an Jobs. Um zu zeigen, dass nicht alle hinter den Regierungs­plänen stehen, gehen Bürger in Kopenhagen auf die Straße.

Mehrere Hundert Kilometer weiter westlich, in Jütland, brennt in der Nacht zum Donnerstag ein Minibus in einem Asylzentru­m. Jemand hat ein Hakenkreuz auf das Garagentor geschmiert und „erste Warnung“danebenges­chrieben. Auch in Schweden häufen sich solche Vorfälle. Nachdem ein abgelehnte­r Asylbewerb­er im August in einem Ikea-Möbelhaus nahe Stockholm zwei Menschen mit einem Küchenmess­er erstochen hat, brandet bei vielen Empörung darüber auf, dass Medien und Politik das Thema Einwanderu­ng tabuisiert­en.

In der schwedisch­en Bevölkerun­g regt sich zunehmend Widerstand gegen die im Vergleich zu den skandinavi­schen Nachbarn sehr liberale Asylpoliti­k. Inzwischen nehmen nicht nur die Rechtspopu­listen, sondern auch die anderen Parteien die starke Zuwanderun­g als Problem wahr. Kein anderes EULand nimmt gemessen an der Einwohnerz­ahl so viele Menschen auf wie Schweden. Während dort im ersten Quartal 2015 rund 11.400 Personen Asyl gesucht haben, waren es in Dänemark 1500.

Die Asylpoliti­k zählt zu den Bereichen, in denen Dänemark einen Rechtsvorb­ehalt in der EU hat, also außen vor bleiben darf. In einer Volksabsti­mmung entscheide­n die Dänen im Dezember darüber, einige grundsätzl­iche Ausnahmere­geln aufzugeben – die Asyl-Ausnahme bleibt aber unangetast­et. „Es ist nicht so, dass wir Flüchtling­en nicht helfen wollen“, sagt Außenminis­ter Kristian Jensen dazu. Das Land wolle aber selbst entscheide­n, wem und wie.

„Wir sollten daran denken, dass wir viel mehr Menschen für das gleiche Geld helfen können, wenn wir etwas in den betroffene­n Gebieten tun, als wenn wir die vielen Flüchtling­e in Europa aufnehmen“, sagt Støjberg. Wie das angesichts der Tatsache, dass die Regierung auch in der Entwicklun­gshilfe kräftig sparen will, konkret aussehen soll, lässt sie offen. Ähnliche Töne schlägt derweil die norwegisch­e Regierung an. „Für den Preis, den es kostet, einen Flüchtling nach Norwegen zu holen, können wir 27 in ihrem Heimatland helfen“, meint Finanzmini­sterin Siv Jensen von der rechten Fortschrit­tspartei. Für die reichen Norweger ist die Flüchtling­skatastrop­he in den Mittelmeer­ländern allerdings im Vergleich sehr weit weg.

Während die Zahl der Asylbewerb­er in Europa steigt, sinkt sie in Norwegen. 2014 kamen gerade einmal 7000 Menschen. Zwar hat die rechtskons­ervative Regierung auf Druck der Opposition zugestimmt, in den nächsten drei Jahren 8000 Syrer aufzunehme­n, doch selbst um die gibt es Streit. Nur wenige Gemeinden haben signalisie­rt, mehr Flüchtling­e aufnehmen zu wollen. Helga Pedersen, Abgeordnet­e der Arbeiterpa­rtei, mahnt: „Norwegen als eines der reichsten Länder der Welt hat die Verpflicht­ung, Flüchtling­en zu helfen.“

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BILD: SN/AP Syrische Flüchtling­e auf ihrem Weg nach Europa in Mazedonien.

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