Die verlorene Generation pfeift auf Anstand
Die US-Autorin Pamela Moore ist mit dem Roman „Cocktails“wieder zu entdecken.
Mit achtzehn Jahren veröffentlichte Pamela Moore 1956 ihren ersten Roman „Cocktails“, vier weitere Romane folgten nach, bevor sie 1964 im Alter von 26 Jahren Selbstmord beging. Im prüden Amerika muss sie, die keine Scheu hatte, von den unheimlichen Seiten ihres Landes zu erzählen, eine suspekte Gestalt abgegeben haben. Die Gesellschaft, von der sie Zeugnis ablegte, durfte es nach den konservativen Vorstellungen der Republikaner eigentlich nicht geben. Am besten tat man also, als hätte Pamela Moore nie etwas veröffentlicht. Ihr Sohn Kevin Kanarek überreichte seiner ehemaligen Schülerin, der Schriftstellerin Emma Straub, nach einer Lesung ein Buch seiner Mutter. Nachdem sie das lädierte Exemplar voller vergilbter Seiten gelesen hatte, war sie so begeistert, dass sie auf eine Wiederveröffentlichung drängte. Jetzt ist der seltsame Roman erstmals auf Deutsch zu lesen.
Mit Moore kommen wir in die beste Gesellschaft in Hollywood und New York, und wir halten uns unter Menschen auf, denen Geld nichts bedeutet, weil sie unbegrenzt davon haben. Aber nicht die, die das Geld gemacht haben, rückt Moore in den Mittelpunkt, sondern die nächste Generation, die nichts dafür tun muss und es verschwenderisch ausgibt.
Die jungen Menschen bilden einen geschlossenen Kreis, sie bleiben unter sich. Ihre Beschäftigung besteht darin, bis zur nächsten Cocktailparty wieder nüchtern zu sein. Sie führen ein Leben ohne Verantwortung, beginnen den Tag mit einem Martini und passen auf, dass sich in ihre Beziehungen niemals Liebe einschleicht. Sie widmen sich der Dekadenz, vermeiden Tiefgang, indem sie – statt Gespräche zu führen – plappern und plaudern.
Dass diese Art zu leben hohl ist, bemerkt so eine wie Courtney, die Moore im Alter von fünfzehn bis siebzehn Jahren begleitet. Sie bildet die eigentliche Hauptfigur, eine aufgeweckte Person, die Joyce und T. S. Eliot liest und kapiert, was sie treibt. Sie stürzt sich ins Leben, genießt die Fülle des Daseins, denkt aber darüber nach. Vor allem geht sie Männern nicht unbeholfen auf den Leim, weil sie diese mit ihrem geschliffenen Verstand, wenn sie will, blöd aussehen lassen kann. Sie ist nicht nur ein junges Ding, leicht zu haben, was von ihr erwartet wird, sie spielt gern intellektuelle Überlegenheit aus. Damit leistet Pamela Moore Einzigartiges für ihre Zeit: Sie gesteht Mädchen und Frauen eine Eigenständigkeit zu, die mit Konventionen abfährt. Erschreckend ist das Bild einer moralisch heruntergekommenen Gesellschaft. Es klingt wie eine Entschuldigung, wenn diese Jugend sich als „verlorene Generation“definiert. Das gilt als Legitimation, sich aushalten zu lassen von den Eltern, die bekämpft werden.
Courtney weiß, dass solch ein Leben befristet ist und dass sie sich später in die Gesellschaft eingliedern wird. Sie macht einen Lernprozess durch, die einzige in diesem Ensemble der Verworfenen, das einen Zustand jenseits von Exzess und Kater nicht kennt. „Pralinen zum Frühstück“heißt der Roman im Original. Erin- nert er nicht an „Frühstück bei Tiffany“von Truman Capote? Der erschien zwei Jahre später. Wahrscheinlich hat er Pamela Moore gelesen.
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