Salzburger Nachrichten

Familienbe­ihilfe könnte für Flüchtling­e gestrichen werden

Ein Gutachten zeigt auf, welche Kürzungen rechtlich zulässig wären und welche nicht. Erste Konsequenz­en aus einem anderen Gutachten hat die Regierung bereits angekündig­t.

- A. k.

WIEN. Die Kürzung von Sozialleis­tungen für Asyl- und Schutzbere­chtigte ist möglich. Das ist dem nun vorliegend­en Gutachten des Wiener Sozialrech­tlers Robert Rebhahn zu entnehmen, der im Auftrag der Regierung untersucht hat, was rechtlich zulässig wäre. Demnach besteht „keine Pflicht“, anerkannte­n Flüchtling­en Familienbe­ihilfe zu gewäh- ren; subsidiär Schutzbere­chtigte könnten „ausgeschlo­ssen werden“. Von der ÖVP kam umgehend ein Nein. „Die Familienbe­ihilfe wird nicht angetastet“, sagte Klubobmann Reinhold Lopatka.

Umso mehr bleibt er bei seiner Forderung, die Mindestsic­herung bei 1500 Euro monatlich zu deckeln (was die SPÖ strikt ablehnt). Zuläs- sig wäre es laut Rebhahn, wenn es für alle gilt. Eine Ungleichbe­handlung von Flüchtling­en gegenüber Österreich­ern und EU-Bürgern bei der Mindestsic­herung sei nur in Ausnahmefä­llen erlaubt, etwa dann, wenn „ein Mitgliedss­taat durch den Massenzust­rom im Vergleich zu anderen Mitgliedsl­ändern . . . stark unverhältn­ismäßig belastet ist“.

Während gemeinsame Schlussfol­gerungen der Regierung aus dem Gutachten zu den Sozialleis­tungen schwierig werden, sind sie aus dem Obergrenze­n-Gutachten schon gezogen. Das Asylgesetz wird weiter verschärft. Durch Schnellprü­fungen an der Grenze soll es in den meisten Fällen gar nicht zu formellen Verfahren kommen.

Der Ansturm von Asylbewerb­ern nach Österreich hat eine völlig unerwartet­e Folge: „Nämlich eine weitere Zersplitte­rung des Baurechts“, kritisiert­e Volksanwäl­tin Gertrude Brinek. Acht der neun Bundesländ­er (alle außer dem Burgenland) haben auf die Notwendigk­eit reagiert, den Flüchtling­en rasch ein Dach über dem Kopf zu verschaffe­n. Aufgrund des österreich­ischen Föderalism­us sind acht völlig unterschie­dliche Regelungen entstanden. „Dadurch kann eine Sogwirkung ausgelöst werden. Flüchtling­e werden dort hingehen, wo es leichter ist, zu einer Unterkunft zu kommen“, sagt Brinek.

Die föderalist­ische Zersplitte­rung ist nicht der einzige Grund, warum die von der ÖVP nominierte Volksanwäl­tin die Gesetzesän­derungen mit Skepsis betrachtet. „Die Sonderrege­lungen für die Flüchtling­sunterkünf­te bringen es mit sich, dass wesentlich­e Errungensc­haften wie Anrainerre­chte, Bebauungsp­läne und Grünlandwi­dmungen ignoriert werden können“, sagt Brinek. Das sei in Ordnung, wenn es darum gehe, rasch notleidend­en Menschen zu helfen. Die Aushebelun­g der Bürgerrech­te dürfe aber nicht Dauerlösun­g werden.

In der Tat sieht etwa das Salzburger Flüchtling­sunterkünf­tegesetz raumordnun­gs- und baurechtli­che Erleichter­ungen vor. Unter gewissen Voraussetz­ungen darf auch Grünland angetastet werden. Das Gesetz ist bis 2017 befristet, sodass es zu keiner Aushebelun­g der Bau- gesetze kommen kann. Es sei denn, die Befristung wird rechtzeiti­g aufgehoben. Auch Kärnten beschloss, dass Flüchtling­sunterkünf­te teilweise bewilligun­gsfrei und gegen die Flächenwid­mung geschaffen werden dürfen. Und das unbefriste­t. In Tirol bedürfen Flüchtling­sunterkünf­te keiner Baubewilli­gung mehr, nur noch einer Bauanzeige. Befristet auf fünf Jahre.

Die meisten Sorgen bereitet der Volksanwäl­tin in dieser Hinsicht Wien. Hier sollen rasche Unterbring­ungsmöglic­hkeiten nicht nur für Flüchtling­e, sondern auch aus „humanitäre­n Gründen“geschaffen werden können. „Das könnte zum Türöffner für eine ganz andere Siedlungsp­olitik werden“, argwöhnt Brinek. Aus „humanitäre­n Gründen“könnte Wien etwa Wohnbauten für die Tausenden Zuzügler errichten, die in den nächsten Jahren erwartet werden – „an bestehende­n Regelungen über Abstände, technische­n Anforderun­gen und Anrainerre­chten vorbei“, fürchtet die Volksanwäl­tin.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Gutachten mit Seitenteil­en . . .
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BILD: SN/APA/TECHT Brinek: „Türöffner für ganz andere Siedlungsp­olitik.“

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