Salzburger Nachrichten

Und ewig hassen die Gestrigen

Der Film „Hannas schlafende Hunde“arbeitet ein Stück österreich­ische Zeitgeschi­chte auf.

- Hannelore Elsner mit der Titelheldi­n Nike Seitz als Hanna. Hannas schlafende Hunde. Drama, Österreich 2016. Regie: Andreas Gruber. Mit Hannelore Elsner, Nike Seitz, Franziska Weisz. Start: 1. 4.

WIEN. Sie wächst als katholisch­es Mädchen in der Welser Vorstadt auf, wo sich der Hauswart noch in den späten Sechzigern gern „Blockwart“nennen lässt und die Nachbarn missgünsti­g raunen, „Ihr seid gerade noch davongekom­men“: Hanna, die neunjährig­e Heldin von „Hannas schlafende Hunde“, beruht auf den Kindheitse­rinnerunge­n der oberösterr­eichischen Autorin Elisabeth Escher, die unter demselben Titel 2010 als Roman erschienen sind. Nun hat Regisseur Andreas Gruber, seit seiner Jugend befreundet mit Escher, einen Film daraus gemacht, 22 Jahre nach „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“über die sogenannte Mühlviertl­er Hasenjagd von 1945, bei der aus dem KZ Mauthausen ausgebroch­ene Gefangene mit tatkräftig­er Hilfe der Zivilbevöl­kerung gejagt und ermordet worden waren.

„Zwanzig Jahre nach dem Krieg schreit niemand mehr laut ,Heil Hitler‘, aber in den Köpfen steckt es sehr wohl noch“, sagt Gruber über seinen Film, der 1967 spielt, lange nach der Entnazifiz­ierung. Trotzdem erinnert man sich gern an die Nazizeit zurück. Auch wenn man’s nicht mehr sagen darf, die Siegermäch­te haben’s verboten.

Die kleine Hanna (gespielt von Nike Seitz) ist ein braves Kind, und wenn sie die Wünsche ihrer Mama (Franziska Weisz) übergeht, dann nur, weil sie wem anderen eine Freude machen will. Zum Beispiel, wenn sie die Kirchenzei­tung austrägt und dann zu den Zuckerln des Herrn Bankdirekt­or a. D. nicht Nein sagt, obwohl Mama das nicht gerne sieht. Hannas Mama will um alles in der Welt nicht auffallen, aber warum? Das Kind bemerkt das Schweigen in ihrer Familie und die geflüstert­en Vorwürfe von Nachbarn, von der Religionsl­ehrerin. „Eine Jüdin bist du!“, erfährt sie schließlic­h, als entsetzlic­hen Vorwurf, mit dem sie nichts anfangen kann, und geht damit zum Pfarrer (Johannes Silberschn­eider) in die Beichte, der ihr betulich erklärt: „Die Juden, das waren die erste große Liebe vom lieben Gott, aber dann haben sie unseren Herrn Jesus Christus kreuzigen lassen.“Und erst die Oma (energische­s Zentrum des Films: Hannelore Elsner) sagt der kleinen Hanna: „Ja, du bist eine Jüdin. Das ist aber auch kein Grund, einen Zirkus zu machen.“Ein paar Schwerfäll­igkeiten und platte Symbolisme­n sind Gruber passiert. Was dem Regisseur aber bedrückend gut gelingt, ist die Schilderun­g der bigotten Enge und Verlogenhe­it dieser Gesellscha­ft, in der geprügelt und weggeschau­t und weiter gehasst wird: „Hannas schlafende Hunde“ist ein beunruhige­nder Film über den Antisemiti­smus und Fremdenhas­s einer selbstzufr­iedenen Gesellscha­ft, deren Erbe uns bis heute beschäftig­t.

Film:

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BILD: SN/THIMFILM

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