Und ewig hassen die Gestrigen
Der Film „Hannas schlafende Hunde“arbeitet ein Stück österreichische Zeitgeschichte auf.
WIEN. Sie wächst als katholisches Mädchen in der Welser Vorstadt auf, wo sich der Hauswart noch in den späten Sechzigern gern „Blockwart“nennen lässt und die Nachbarn missgünstig raunen, „Ihr seid gerade noch davongekommen“: Hanna, die neunjährige Heldin von „Hannas schlafende Hunde“, beruht auf den Kindheitserinnerungen der oberösterreichischen Autorin Elisabeth Escher, die unter demselben Titel 2010 als Roman erschienen sind. Nun hat Regisseur Andreas Gruber, seit seiner Jugend befreundet mit Escher, einen Film daraus gemacht, 22 Jahre nach „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“über die sogenannte Mühlviertler Hasenjagd von 1945, bei der aus dem KZ Mauthausen ausgebrochene Gefangene mit tatkräftiger Hilfe der Zivilbevölkerung gejagt und ermordet worden waren.
„Zwanzig Jahre nach dem Krieg schreit niemand mehr laut ,Heil Hitler‘, aber in den Köpfen steckt es sehr wohl noch“, sagt Gruber über seinen Film, der 1967 spielt, lange nach der Entnazifizierung. Trotzdem erinnert man sich gern an die Nazizeit zurück. Auch wenn man’s nicht mehr sagen darf, die Siegermächte haben’s verboten.
Die kleine Hanna (gespielt von Nike Seitz) ist ein braves Kind, und wenn sie die Wünsche ihrer Mama (Franziska Weisz) übergeht, dann nur, weil sie wem anderen eine Freude machen will. Zum Beispiel, wenn sie die Kirchenzeitung austrägt und dann zu den Zuckerln des Herrn Bankdirektor a. D. nicht Nein sagt, obwohl Mama das nicht gerne sieht. Hannas Mama will um alles in der Welt nicht auffallen, aber warum? Das Kind bemerkt das Schweigen in ihrer Familie und die geflüsterten Vorwürfe von Nachbarn, von der Religionslehrerin. „Eine Jüdin bist du!“, erfährt sie schließlich, als entsetzlichen Vorwurf, mit dem sie nichts anfangen kann, und geht damit zum Pfarrer (Johannes Silberschneider) in die Beichte, der ihr betulich erklärt: „Die Juden, das waren die erste große Liebe vom lieben Gott, aber dann haben sie unseren Herrn Jesus Christus kreuzigen lassen.“Und erst die Oma (energisches Zentrum des Films: Hannelore Elsner) sagt der kleinen Hanna: „Ja, du bist eine Jüdin. Das ist aber auch kein Grund, einen Zirkus zu machen.“Ein paar Schwerfälligkeiten und platte Symbolismen sind Gruber passiert. Was dem Regisseur aber bedrückend gut gelingt, ist die Schilderung der bigotten Enge und Verlogenheit dieser Gesellschaft, in der geprügelt und weggeschaut und weiter gehasst wird: „Hannas schlafende Hunde“ist ein beunruhigender Film über den Antisemitismus und Fremdenhass einer selbstzufriedenen Gesellschaft, deren Erbe uns bis heute beschäftigt.
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