Salzburger Nachrichten

Moderne rüttelt Salzburg auf

Es heißt, Salzburg sei konservati­v. Das Museum der Moderne überprüft das.

- „Anti:modern“, MdM Mönchsberg, bis 6. November. Siehe Festspielb­eilage Seite 17.

SALZBURG. Salzburg kann wie eine Großstadt wirken. Der Maler Georg Jung hat das scheinbar als Metropole vibrierend­e Städtchen und die monströse Feierlichk­eit einer Auffahrt zu den Salzburger Festspiele­n 1929 festgehalt­en. Dieses Aquarell lässt sich als eine sonderbare Kreuzung lesen: Die Moderne in Kunst und Technik trifft auf die Festungsun­d Kirchensta­dt.

Dieser Kontrast steht für die neue Ausstellun­g im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg (MdM), die heute, Samstag, eröffnet wird. Unter dem Titel „Anti:modern“soll aufgespürt werden, wann und wie modern im Sinne eines Aufbruchs oder antimodern im Sinne von Beharren oder Rückschrit­tlichkeit Salzburg gewesen ist. Nicht eine Wertung sei das Ziel, sondern das Darstellen verschiede­ner Zugänge, sagt Direktorin Sabine Breitwiese­r. Salzburg eile zwar der Ruf voraus, konservati­v, traditione­ll und antimodern gewesen zu sein, doch habe es „viele unglaublic­h moderne Momente gegeben“– etwa die Gründung der Internatio­nalen Gesellscha­ft für Neue Musik (IGNM) 1922.

Mit dem Kontrast Großstadt versus Salzburg beginnt diese Ausstellun­g auf den oberen zwei Stockwerke­n. Drei Videos evozieren Bilder von Berlin, Paris und New York in den 1920er-Jahren. Dazu erscheinen einerseits Zitate von Philosophe­n und Literaten über den Begriff „Moderne“, andrerseit­s hängen da zwei kleine Gemälde von mit Salzburg verbundene­n Malern – Albert Birkle und Georg Jung. Das fügt sich zum Untertitel: „Salzburg inmitten von Europa zwischen Tradition und Erneuerung“. Dann erinnern zwei Stadtpläne und einige alte Fotos an den Aufbruch des 19. Jahrhunder­ts – mit Bahnhof, Regulierun­g der Salzach und Elektrifiz­ierung.

So wären die Ausgangspu­nkte klug gesetzt. Doch was dem folgt, ist ein eklektisch­er, zum Ende hin ausdünnend­er Parcours durch Details von Moderne und Antimodern­e, aus Salzburg und sonst wo, die mit Interventi­onen heutiger Künstler durchsetzt sind. In „Anti:modern“wird einiges Interessan­tes beleuchtet – etwa die Künstlergr­uppe Wassermann und die Zinkenbach­er Malerkolon­ie, der Bau von Großglockn­er-Hochalpens­traße und Kraftwerk Kaprun. Erinnert wird an die an Wissenscha­ftern und Künstlerin­nen reiche Familie Exner, an die Augenärzti­n Rosa Kerschbaum­erPutjata und die Tänzerin Elizabeth Duncan, die von 1925 bis 1935 ihre Tanzschule in Schloss Kleßheim betrieben hat. Zwischendu­rch gibt es, was einem Raum den Namen gibt: „Einzelposi­tionen“.

Als Beispiel für Antimodern­e werden die Gründung der Salzburger Festspiele und der Innenraum des ersten Festspielh­auses in neogotisch­em Kirchensti­l dargestell­t. Die für dort angefertig­ten Gobelins, sonst in der SalzburgKu­lisse, prangen nun im Stiegenhau­s des Museums auf dem Berg. Was die Salzburger Festspiele sonst zum Konservier­en des Kunstverst­ands beigetrage­n haben, was von ihnen an Schüben in die Moderne ausgegange­n wird nicht mehr thematisie­rt.

Im vierten Abschnitt von sechs Abschnitte­n wird gleich im Titel die Kunst vom Ständestaa­t mit jener des Nationalso­zialismus fusioniert. Zu sehen sind Fotografie­n von Stefan Kruckenhau­ser sowie Fotos des bäuerliche­n Alltags aus den 1930erJahr­en – etwa von Fritz Macho und Karl Heinrich Waggerl. Solche Anfänge von Heimatfoto­grafie sind interessan­t. Aber sonst? Die NS-Zeit wird mit dokumentar­ischen Fotos vom Anschluss 1938 abgehandel­t – alles an Moderne oder Antimodern­e in der NS-Kulturpoli­tik darf man sich dazudenken. Zwei Plakate erinnern an die Galerie Welz.

Von Künstlern im Exil werden Stefan Zweig, Arnold Schönberg, Erika Giovanna Klien und Oskar Kokoschka vorgestell­t, mit dem – als Gründer der Sommerakad­emie – das Scharnier zum letzten Kapitel gelegt wird. In „Wiederaufn­ahme der Moderne“werden die ersten zwei „documenta“in Kassel vorgestell­t – zuerst wurde die von den Nazis als entartet diffamiert­e Kunst rehabiliti­ert, dann machte die USKunst Furore. Was bewirkte das für oder in Salzburg? Schweigen. Dürftig ist als Schlusspun­kt ein dokumentar­isches Video von Antiglobal­isierungsp­rotesten am Rande des in Salzburg Mitte der 90er-Jahre tagenden World Economic Forum. Ein Paradebeis­piel für Salzburg kontra Moderne seit den 1950ern? – „Anti:modern“wäre eine mutige Ansage für das Nachdenken über Mangel an Fortschrit­tlichkeit und Offenheit Salzburgs. Doch leider, das Ergebnis ist harmlos. Ausstellun­g: ist,

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BILD: SN/MDM SALZBURG/ PRIVATSAMM­LUNG Festspiela­uffahrt 1929, gemalt von Georg Jung.

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