Moderne rüttelt Salzburg auf
Es heißt, Salzburg sei konservativ. Das Museum der Moderne überprüft das.
SALZBURG. Salzburg kann wie eine Großstadt wirken. Der Maler Georg Jung hat das scheinbar als Metropole vibrierende Städtchen und die monströse Feierlichkeit einer Auffahrt zu den Salzburger Festspielen 1929 festgehalten. Dieses Aquarell lässt sich als eine sonderbare Kreuzung lesen: Die Moderne in Kunst und Technik trifft auf die Festungsund Kirchenstadt.
Dieser Kontrast steht für die neue Ausstellung im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg (MdM), die heute, Samstag, eröffnet wird. Unter dem Titel „Anti:modern“soll aufgespürt werden, wann und wie modern im Sinne eines Aufbruchs oder antimodern im Sinne von Beharren oder Rückschrittlichkeit Salzburg gewesen ist. Nicht eine Wertung sei das Ziel, sondern das Darstellen verschiedener Zugänge, sagt Direktorin Sabine Breitwieser. Salzburg eile zwar der Ruf voraus, konservativ, traditionell und antimodern gewesen zu sein, doch habe es „viele unglaublich moderne Momente gegeben“– etwa die Gründung der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) 1922.
Mit dem Kontrast Großstadt versus Salzburg beginnt diese Ausstellung auf den oberen zwei Stockwerken. Drei Videos evozieren Bilder von Berlin, Paris und New York in den 1920er-Jahren. Dazu erscheinen einerseits Zitate von Philosophen und Literaten über den Begriff „Moderne“, andrerseits hängen da zwei kleine Gemälde von mit Salzburg verbundenen Malern – Albert Birkle und Georg Jung. Das fügt sich zum Untertitel: „Salzburg inmitten von Europa zwischen Tradition und Erneuerung“. Dann erinnern zwei Stadtpläne und einige alte Fotos an den Aufbruch des 19. Jahrhunderts – mit Bahnhof, Regulierung der Salzach und Elektrifizierung.
So wären die Ausgangspunkte klug gesetzt. Doch was dem folgt, ist ein eklektischer, zum Ende hin ausdünnender Parcours durch Details von Moderne und Antimoderne, aus Salzburg und sonst wo, die mit Interventionen heutiger Künstler durchsetzt sind. In „Anti:modern“wird einiges Interessantes beleuchtet – etwa die Künstlergruppe Wassermann und die Zinkenbacher Malerkolonie, der Bau von Großglockner-Hochalpenstraße und Kraftwerk Kaprun. Erinnert wird an die an Wissenschaftern und Künstlerinnen reiche Familie Exner, an die Augenärztin Rosa KerschbaumerPutjata und die Tänzerin Elizabeth Duncan, die von 1925 bis 1935 ihre Tanzschule in Schloss Kleßheim betrieben hat. Zwischendurch gibt es, was einem Raum den Namen gibt: „Einzelpositionen“.
Als Beispiel für Antimoderne werden die Gründung der Salzburger Festspiele und der Innenraum des ersten Festspielhauses in neogotischem Kirchenstil dargestellt. Die für dort angefertigten Gobelins, sonst in der SalzburgKulisse, prangen nun im Stiegenhaus des Museums auf dem Berg. Was die Salzburger Festspiele sonst zum Konservieren des Kunstverstands beigetragen haben, was von ihnen an Schüben in die Moderne ausgegangen wird nicht mehr thematisiert.
Im vierten Abschnitt von sechs Abschnitten wird gleich im Titel die Kunst vom Ständestaat mit jener des Nationalsozialismus fusioniert. Zu sehen sind Fotografien von Stefan Kruckenhauser sowie Fotos des bäuerlichen Alltags aus den 1930erJahren – etwa von Fritz Macho und Karl Heinrich Waggerl. Solche Anfänge von Heimatfotografie sind interessant. Aber sonst? Die NS-Zeit wird mit dokumentarischen Fotos vom Anschluss 1938 abgehandelt – alles an Moderne oder Antimoderne in der NS-Kulturpolitik darf man sich dazudenken. Zwei Plakate erinnern an die Galerie Welz.
Von Künstlern im Exil werden Stefan Zweig, Arnold Schönberg, Erika Giovanna Klien und Oskar Kokoschka vorgestellt, mit dem – als Gründer der Sommerakademie – das Scharnier zum letzten Kapitel gelegt wird. In „Wiederaufnahme der Moderne“werden die ersten zwei „documenta“in Kassel vorgestellt – zuerst wurde die von den Nazis als entartet diffamierte Kunst rehabilitiert, dann machte die USKunst Furore. Was bewirkte das für oder in Salzburg? Schweigen. Dürftig ist als Schlusspunkt ein dokumentarisches Video von Antiglobalisierungsprotesten am Rande des in Salzburg Mitte der 90er-Jahre tagenden World Economic Forum. Ein Paradebeispiel für Salzburg kontra Moderne seit den 1950ern? – „Anti:modern“wäre eine mutige Ansage für das Nachdenken über Mangel an Fortschrittlichkeit und Offenheit Salzburgs. Doch leider, das Ergebnis ist harmlos. Ausstellung: ist,