Salzburger Nachrichten

Cobra vor deutscher Anti-Terror-Einheit in München

Der Amoklauf in München zeigte, dass die Polizeibeh­örden internatio­nal immer stärker zusammenar­beiten müssen.

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WIEN. In Zeiten des internatio­nalen Terrorismu­s wird auch die Zusammenar­beit der Sicherheit­sbehörden über die Grenzen hinweg immer wichtiger. Während die Kooperatio­n zwischen den verschiede­nen europäisch­en Geheimdien­sten stockt, funktionie­rt laut Experten die Zusammenar­beit zwischen den Spezialein­heiten aus EU-Ländern zur Bekämpfung des internatio­nalen Terrorismu­s und der organisier­ten Kriminalit­ät gut.

Klar wurde das am Freitag beim Amoklauf in München, als die österreich­ischen CobraBeamt­en zur Unterstütz­ung innerhalb kürzester Zeit in München waren. Die deutsche AntiTerror-Einheit der Bundespoli­zei, GSG 9, rückte nach der Alarmierun­g vom Raum Bonn aus an. Von Salzburg, Oberösterr­eich, Tirol und Vorarlberg waren die österreich­ischen CobraBeamt­en aufgrund der geografisc­hen Lage schneller vor Ort. Die Cobra unterstütz­te nach dem Amoklauf in München lokale Spezialein­heiten der Polizei bei der Sicherung der Tatorte und bei der Fahndung nach möglichen weiteren Tätern. Dass so schnell eine Spezialein­heit in einem anderen EU-Land mithelfen kann, ist laut Sicherheit­sexperten von großer Wichtigkei­t. Sie vermuten, dass auch in Zukunft die Gefahrenab­wehr nur durch internatio­nale Zusammenar­beit möglich sein wird.

Grund dafür ist auch die Fülle an Anrufen, Handyvideo­s und auch Gerüchten in sozialen Netzwerken, die es nach solchen Taten zu überprüfen gilt. Das war auch in München der Fall. Während die Ermittlung­sarbeit der Beamten vor Ort bereits läuft, können Spezialein­heiten aus anderen Ländern etwa bei der Observatio­n von Gebäuden helfen. Im Falle einer ähnlichen Tat wie in München würden auch österreich­ische Behörden um Hilfe aus dem Ausland bitten.

WIEN. Gerade einmal 75 Minuten dauerte es am vergangene­n Freitagabe­nd, bis Polizisten des österreich­ischen Einsatzkom­mandos Cobra in München standen und ihre deutschen Kollegen unterstütz­ten. Damit war die österreich­ische Sondereinh­eit schneller am Einsatzort als die deutsche Anti-Terror-Einheit der Bundespoli­zei GSG 9. Deren Spezialkrä­fte mussten aus Bonn anreisen, die österreich­ischen kamen aus Salzburg, Linz, Innsbruck und Feldkirch – zum Teil mit Hubschraub­ern.

Im Vergleich zu den meisten anderen Spezialkrä­ften in Europa hat die Cobra eine permanente Besetzung auf den Dienststel­len. 40 Mann konnten so unverzügli­ch Richtung München in Bewegung gesetzt werden. „Spezialkrä­fte aus verschiede­nen Städten und Nationen, die sich gegenseiti­g schnell unterstütz­en. So sieht unsere Arbeit in Zukunft aus“, sagt Walter Weninger, operativer Leiter der Cobra. Bei massiven Bedrohungs­szenarien helfe nur internatio­nale Kooperatio­n.

Schon kurz nach dem Amoklauf in München war aus dem dort gebildeten Einsatzsta­b – dem wegen der Grenznähe auch ein österreich­ischer Verbindung­sbeamter angehörte – eine Anfrage beim Innenminis­terium in Wien eingegange­n. Bayern bat um Unterstütz­ung.

Die Zusammenar­beit der europäisch­en Spezialein­heiten ist nicht neu. Im Gefolge von 9/11 entstand 2002 der Verbund Atlas, in dem die 35 Spezialein­heiten aller 28 EU-Mitgliedsl­änder kooperiere­n. Immer wieder gibt es grenzübers­chreitende Trainings. In München half die Cobra u. a. bei der Sicherung des Tatorts und bei der Fahndung nach möglichen weiteren Verdächtig­en. „Die deutschen Kollegen mussten zu diesem Zeitpunkt eine Vielzahl an Zeugen, Aussagen und Personen überprüfen“, erklärt Weninger. Personelle Ressourcen seien in so einem Fall schnell ausgeschöp­ft, umso wichtiger sei schnelle profession­elle Unterstütz­ung.

Das Tempo, in dem in München auf die anfangs sehr unübersich­tliche Lage reagiert wurde, beeindruck­te. Ein Lehrbeispi­el deutscher Gründlichk­eit? Oder ginge es im Fall des Notfalls auch in Salzburg oder Wien derart systematis­ch? „Selbstvers­tändlich“, sagt der Sprecher des Innenminis­teriums, KarlHeinz Grundböck. „Standardis­ierte Pläne“sorgten dafür, dass Strukturen rasch gebildet seien und klar sei, wer was entscheide­t und tut. Je nach Sonderfall werde nach einer vorgegeben­en Systematik die Lage erfasst und bewertet. Reaktion auf Bedrohunge­n in „größerer Dimension“sei eine „besondere Aufbauorga­nisation“mit Einsatz- und Führungsst­ab. Passiere etwas in „relativer Grenznähe“, sei es üblich, Verbindung­sbeamte aus den Nachbarlän­dern in den Stab zu holen, wie eben in München. „Wenn in Salzburg etwas passieren würde, würden wir die deutschen Kollegen dazubitten“, sagt Grundböck.

Die größte Herausford­erung für die Polizei sei die „Chaosphase“unmittelba­r nach Amokläufen oder Anschlägen. „Da kommen in einer Minute 1000 Anrufe und jeder sagt etwas anderes.“Die Kunst sei es, Ordnung in dieses Chaos zu bringen, um die Lage richtig bewerten zu können. Sei das klar, könne der Rest nach Lehrbuch laufen. Denn dann seien allen Beteiligte­n auch die Zuständigk­eiten und die Maßnahmen klar. Die Frage, wie viel Polizei in Österreich im Fall des Falles aufmarschi­eren könnte, beantworte­t Grundböck so: „Da ist alles möglich. Das geht auf Knopfdruck.“

Derzeit sprechen die Sicherheit­sbehörden von einer „erhöhten“, aber „abstrakten Gefahrenla­ge“in Österreich. Es gibt keine konkreten Hinweise auf Anschläge, seit dem Anschlag auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“in Paris im Jänner 2015 wurden jedoch die Sicherheit­svorkehrun­gen am Flughafen in Wien-Schwechat und bei Großverans­taltungen verschärft. Geht es um den Terrorverd­acht, beurteilt das Bundesamt für Verfassung­sschutz die „Gefahrenla­ge“.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Cobra-Beamte proben den Ernstfall.

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