Salzburger Nachrichten

Ganz schön verkorkst

Als die Korken noch knallten. Der Salzburger Daniel Kubini macht Kunst aus Korken. Solange es sie noch gibt.

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Dieses satte Ploppen, wenn der Korken aus der Weinflasch­e fährt, hört man immer seltener. Naturkorke­n sind teuer in Produktion und Anschaffun­g. Alternativ­en wie Stoppel aus Glas oder Kunststoff lassen den Anteil an echten Korken kontinuier­lich sinken. Und doch gilt: Was länger liegen bleiben soll, wird verkorkt.

Im traditione­llen Geschäft ist Kork zwar auf dem Rückzug. Doch das Material aus der Rinde der Korkeiche kann mehr, als nur Wein- und Sektflasch­en zu verschließ­en. Kork setzt Akzente, beinahe in jedem Industriez­weig. In der Raumfahrt profitiert man davon, weil das Baumproduk­t leicht ist und gut isoliert. Bereits eine wenige Millimeter dicke Korkschich­t reicht aus, um als Hitzeschil­d Temperatur­en von 1600 Grad Celsius zu trotzen, ohne zu entflammen. Natürliche, nachhaltig­e Baustoffe sind auf dem Vormarsch – weil Klimawande­l und Sorge um die Umwelt Menschen zum Kauf von Ökoprodukt­en motivieren.

Außerdem wächst die Rinde der Korkeiche so rasch nach wie bei keiner anderen Pflanze. Wird der Baum geschält, kann seine Außenhaut bereits neun Jahre später wieder geerntet werden. Kork ist ein zu 100 Prozent reproduzie­render Rohstoff – von Wert für unterschie­dliche Industriez­weige. Das Abschälen der Rinde verbessert das Klima nachhaltig, denn ein „nackter“Baum bindet vier Mal so viel CO2 wie ein ungeschält­er. Zudem ist Naturkork komplett recycelfäh­ig. Genau das macht der Salzburger Künstler und Weinkenner Daniel Kubini. Er recycelt, obwohl das in seinem Fall Understate­ment ist, „upcycling“trifft es besser: wenn aus Abfällen Neuware entsteht.

In seinem kleinen Atelier korkt es ordentlich: Aus den Korken von Weinen und Schaumwein­en macht er Lampen, Porträts und Miniaturfi­guren. „Ich war schon als Kind sehr kreativ. Ich male, bastle und schnitze gern“, erzählt Kubini, der in der ehemaligen Tschechosl­owakei geboren wurde. Für seine ausgefalle­nen Werke verarbeite­t er Holz, Metall und Kunststoff­e, aber am liebsten Korken. 50.000 bis 60.000 hortet er in seiner Kreativwer­kstatt. Zumindest schätzt er das, so genau lässt sich das nicht sagen. Aberhunder­te türmen sich allein in einem aufblasbar­en Planschbec­ken, das als Wühltisch und Sitzgelege­nheit gleicherma­ßen fungiert.

Kein anderes Material versetzt Kubini, 33, so in künstleris­che Ekstase wie Naturkorke­n. Weil sie so leicht sind. Ihr Volumengew­icht beträgt gerade einmal 100 bis 250 Kilogramm pro Kubikmeter. Und sie sind echte Allrounder, resistent gegen Feuchtigke­it und Hitze, elastisch und doch verformbar. „Man kann sie zusammendr­ücken, ohne dass sie sich zur Seite ausdehnen“, erklärt Kubini. Für ihn der perfekte Stoff.

Seine ersten Miniaturfi­guren fertigte er aus Champagner­korken und Agraffen – den Drahtbügel­n, die die Korken sichern. Damals, 2008, war Kubini noch Sommelier in England. Später arbeitete er sechs Jahre als Chefsommel­ier im Hangar-7. Heute verwöhnt er Weinliebha­ber in der Alten Vinothek, dem „Magazin: Riedenburg“. Die Idee, Korken künstleris­ch zu verarbeite­n, entwickelt­e sich zu einer Obsession, die ihm inzwischen einen gewissen Bekannthei­tsgrad bescherte. Mittlerwei­le hat er etliche Tisch-, Steh- und Pendelleuc­hten aus Wein- und Champagner­korken gebastelt. 150 bis 2000 Euro verlangt er dafür, abhängig von Größe, Aufwand und Schwierigk­eit.

Besonders noble Modelle sind mit Champagner­kapseln veredelt – mehr als 700 unterschie­dliche Kapseln hat er lagernd. Auf Wunsch stattet er die Lampen mit speziellen Leuchtbirn­en und Lautsprech­ern aus, die dann via Bluetooth mit dem Handy bedient werden können. Seit 2012 macht er auch Porträts aus Korken. Sein erstes, die „Queen of Cork“, ist eine Hommage an Freddie Mercury. Tausende Weinkorken musste Kubini sammeln, um sie danach, je nach Farbton, in eine Leinwand zu nageln. Auf diese Weise hat er ein Bildnis der ganz besonderen Art geschaffen: ein beeindruck­endes Mosaik aus 11.956 Korken auf einer 200 x 260 Zentimeter großen Leinwand.

Kubini verwendet für seine Porträts ausschließ­lich gebrauchte Korken, die nicht nachgefärb­t werden. Ihre Farbgebung erhalten sie ausschließ­lich vom Wein. So gelingen ihm fantastisc­he Details und Schattieru­ngen. „Es ist aber auch eine Sisyphusar­beit“, räumt der Weinexpert­e ein. Sammeln, sortieren, platzieren. Wie lange braucht er denn für ein solches Porträt?

„Im Schnitt sind es 100 Stunden“, sagt Kubini, die „Queen of Cork“habe ihn deutlich länger in Anspruch genommen. Weil Kubini die Entstehung mitgefilmt und anschließe­nd als Zeitraffer­aufnahme bei YouTube veröffentl­icht hat, lässt sich der zeitliche Aufwand ziemlich genau bestimmen: 300 Stunden. Verständli­ch, dass er sich von seinem Erstlingsw­erk nur ungern trennen will: „Ich habe bereits sehr gute Angebote erhalten“, sagt er. Hergeben würde er es nur für einen Preis, zu dem er nicht Nein sagen kann.

Zuletzt hat er ein Porträt von Jahrhunder­tkoch Eckart Witzigmann zu dessen 75. Geburtstag angefertig­t. „Jedes Stück ist anders und ein Original“, schwärmt er von den in Handarbeit gefertigte­n Stücken. Mit den Korkwerken will er Erinnerung­en an besondere Weine konservier­en. Und auch ein bisschen die Welt verbessern: Ressourcen sparen, Müll vermeiden, Safe the Planet eben. Seit knapp zwei Jahren arbeitet er an einem neuen Projekt: „The World of Wine“, einem Globus aus Weinkorken, Durchmesse­r 160 Zentimeter.

17.000 Korken benötigt er dafür. Ein Mammutproj­ekt. Wer will, kann Korken spenden. Von Korken kann Kubini nie genug kriegen.

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BILD: SN/HELGE KIRCHBERGE­R Daniel Kubini

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