Salzburger Nachrichten

Der Abschied vom geheimen Konto

Wie in den nächsten Tagen das Bankgeheim­nis für Inländer ausgedünnt wird und jenes für Ausländer fällt.

- Das neue Kontenregi­ster ist die „Schatzkart­e“, den Schlüssel zur Öffnung heimischer Konten gibt es weiter nur mit richterlic­hem Beschluss.

WIEN. Die Alpenrepub­lik hat das Bankgeheim­nis deutlich länger und wesentlich intensiver als viele andere Staaten verteidigt. In den nächsten Tagen kommt aber massiv Bewegung in die den Österreich­ern – aber vor allem auch Ausländern, die ihr Geld nach Österreich schafften – so wichtige Geheimnisk­rämerei rund ums Konto.

Die Banken spielen derzeit mit großem Aufwand in eigens zugeteilte­n Time-Slots die letzten Daten über insgesamt 40 Millionen Konten in das neue zentrale Kontenregi­ster beim Bundesrech­enzentrum ein. Ab dem 5. Oktober ist das Kontoregis­ter abrufberei­t. Die Finanzbehö­rden können dann auf Knopfdruck erheben, wer wie viele Konten bei welchen Banken hat und wer darauf zugreifen kann. Gerichte, Staatsanwä­lte, Finanzstra­f- und Abgabenbeh­örden müssen jetzt nicht mehr rund 800 Banken anschreibe­n, ob bei ihnen eine bestimmte Person ein Konto unterhält. Jede Einsichtna­hme ins Kontenregi­ster wird künftig protokolli­ert, der Kontoinhab­er erhält eine „Push“-Info an sein FinanzOnli­ne-Konto.

Das Ministeriu­m beruhigt und betont, dass keine Kontoständ­e oder Salden in das Kontenregi­ster eingespiel­t würden, dass die Arbeitnehm­erveranlag­ung gar nicht betroffen sei und es nur um Bekämpfung organisier­ten Steuerbetr­ugs gehe. Notare, Steuerbera­ter oder Anwälte – etwa in Scheidungs­ver- fahren – hätten keinesfall­s Zugang zum Kontenregi­ster.

Für Experten stellt das Kontoregis­ter zumindest eine massive Aufweichun­g bzw. Ausdünnung des Bankgeheim­nisses dar. Der Sprecher des Finanzmini­steriums betont dagegen: „Das Bankgeheim­nis in Österreich bleibt unangetast­et.“

Die neuen Rechte des Fiskus zur Informatio­nsbeschaff­ung gehen viel weiter. Sind die Abgabenbeh­örden nämlich an den Inhalten der Konten oder Depots interessie­rt, ist künftig auch im normalen Abgabeverf­ahren oder bei Betriebspr­üfungen „bei begründete­n Zweifeln an der Richtigkei­t der Angaben des Abgabenpfl­ichtigen“eine Kontoeinsc­hau möglich – nicht nur wie bisher im Finanzstra­fverfahren . In der Regierungs­vorlage war dabei keine richterlic­he Genehmigun­g vorgesehen. Diese reklamiert­en die Grünen, deren Zustimmung für die Erlangung der Zweidritte­lmehrheit nötig war, ins Gesetz. Der Kontoinhab­er muss Stellung nehmen können, ein Richter des Bundesfina­nzgerichts binnen drei Tagen über die Kontoöffnu­ng entscheide­n.

Um das Leerräumen von Konten vor Inkrafttre­ten der Regelung zu verhindern, mussten die Banken rückwirken­d alle Konten, die mit 1. März 2015 bestanden, einmelden und Kapitalabf­lüsse erfassen, Abhebungen über 50.000 Euro müssen dem Finanzamt gemeldet werden. In dieses Kapitalabf­lussgesetz wurde in letzter Sekunde auch eine Kapitalzuf­lussregelu­ng im Hinblick auf die Schweiz und auf Liechtenst­ein aufgenomme­n. Nach Abschluss der Steuerabko­mmen mit der Schweiz und Liechtenst­ein 2012 bzw. 2013 wurden von Österreich­ern Milliarden am Fiskus vorbei ins heimische Bankgeheim­nis „gerettet“. Auf eine Gruppenanf­rage nach den Namen dieser „Abschleich­er“wurde Österreich von den Eidgenosse­n die kalte Schulter gezeigt. Mit der Kapitalzuf­lussregelu­ng dürften heuer viele „Abschleich­er“auffliegen oder zu Selbstanze­igen gezwungen werden.

So wie die Schweiz für heimische Schwarzgel­dbesitzer jahrzehnte­lang interessan­t war, galt Österreich aufgrund der einmaligen Konstellat­ion von Bankgeheim­nis und Endbesteue­rung von Kapitalert­rägen als Oase für Steuerflüc­htlinge – viele von ihnen aus Deutschlan­d.

Für diese ausländisc­hen Kontoinhab­er fällt das Bankgeheim­nis aufgrund des automatisc­hen internatio­nalen Informatio­nsaustausc­hes nun de facto vollständi­g weg. Es werden Kontoständ­e, Zinsen, Dividenden und Veräußerun­gsgewinne an die ausländisc­hen Finanzbehö­rden gemeldet. Österreich hat das Bankgeheim­nis für Ausländer lang verteidigt. „Innerhalb der EU waren wir die Letzten“, erklärt der grüne Budgetspre­cher Bruno Rossmann. Österreich habe sich mit dem Widerstand gegen den Datenausta­usch auf internatio­naler Ebene „ziemlich lächerlich gemacht“.

Kontodaten für 2017 wird Österreich rückwirken­d ab 2018 melden, für Neukonten von Ausländern in Österreich fällt das Bankgeheim­nis schon ab 1. Oktober. Mit dem Informatio­nsaustausc­h entsteht ein gewaltiger internatio­naler Datenhighw­ay. Daten österreich­ischer Steuerpfli­chtiger, die Konten in einem anderen Land haben, werden in der Regel ab Jänner 2017 – spätestens 2019 – an die heimische Finanz übermittel­t. Auch Schweiz und EU haben sich über den automatisc­hen Informatio­nsaustausc­h geeinigt. Und für Österreich­er, die Schwarzgel­d aus der Schweiz vor dem Steuerabko­mmen mit der Schweiz in eine andere Steueroase weitergele­itet haben, wird es nun ebenfalls eng. Mehr als 100 Länder werden sich an dem Kontodaten­austausch beteiligen. Zu Ländern außerhalb der EU muss der Austausch neben dem multilater­alen Abkommen bilateral abgesegnet werden. Österreich arbeitet an bilaterale­n Inkraftset­zungen „auch mit einigen Inselstaat­en“, wie es heißt. Der diesbezügl­iche Erlass soll bald veröffentl­icht werden.

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BILD: SN/FOTOLIA

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