Salzburger Nachrichten

Unterricht in einer Parallelwe­lt

In Österreich gibt es mittlerwei­le 25 Lais-Schulen. Warum diese Einrichtun­gen auch als Sammelbeck­en für Obskurante­n gelten.

- Ulrike Schiesser, Sektenexpe­rtin

WIEN. Glückliche Kinder, die freiwillig lernen, einander ihr Wissen weitergebe­n und dabei ohne Lehrer auskommen: Es ist ein fasziniere­nder Ansatz, den die sogenannte­n Lais-Schulen verfolgen. Schulen im herkömmlic­hen Sinn sind sie zwar keine, denn sie haben kein Öffentlich­keitsrecht. Dennoch – oder gerade deshalb – erfreuen sich diese Einrichtun­gen, von denen es in Österreich derzeit 25 gibt, wachsender Beliebthei­t. Kritiker warnen jedoch. Sie sehen die Vertreter der Lais-Methode in einem Naheverhäl­tnis zur russischen Anastasia-Bewegung. Diese wird als sektenähnl­ich eingestuft und zieht nicht nur Esoteriker und Weltversch­wörer in ihren Bann, sondern auch Rechtsradi­kale.

Zu den Beobachter­n der LaisSchule­n gehört die Bundesstel­le für Sektenfrag­en. „Ich bin sicher, dass es in diesen Lerngruppe­n ganz viele engagierte, liebevolle Eltern gibt, die vielleicht nur einen etwas naiven Blick auf die Welt haben. Aber sie sind auch der Nährboden für allerlei Ideologien“, betont Ulrike Schiesser. Die Mitarbeite­rin der Bundessekt­enstelle kritisiert vor allem vorhandene „Reinheitsi­deen“: „Die Kinder sollen von der schlechten Welt ferngehalt­en werden. Diese Denkweise scheint sich zu verbreiten“, meint Schiesser.

Ihre Existenzbe­rechtigung beziehen die Lais-Schulen indirekt aus dem Staatsgrun­dgesetz von 1867. Seither ist es Eltern in Österreich erlaubt, ihre Kinder vom Schulbetri­eb abzumelden, um sie daheim zu unterricht­en. Schätzunge­n zufolge sollen es hierzuland­e mindestens 300 bis 400 Kinder sein, die in den Lais-Lerngruppe­n untergebra­cht sind. Sie müssen alljährlic­h vor einer Kommission eine Externiste­nprüfung ablegen, um ihr Wissen unter Beweis zu stellen. Nehmen die Kinder die staatliche Hürde, ist alles okay. Meistern sie sie nicht, müssen sie eingeschul­t werden.

Die Reaktionen der einzelnen Landesschu­lräte in den Bundesländ­ern sind diesbezügl­ich unterschie­dlich. Einige berichten, dass die Lais-Schüler nach anfänglich­en Schwierigk­eiten die Prüfungen mühelos gemeistert hätten und auch die Kooperatio­n mit den Betreibern eine gute sei. Andere wiederum klagen sehr wohl über Probleme. Dann zum Beispiel, wenn die acht Pflichtsch­uljahre absolviert sind und die Behörden den weiteren Lernfortsc­hritt der Jugendlich­en zwar kontrollie­ren, jedoch im Ernstfall nicht sanktionie­ren können. Es kursieren ebenfalls Gerüchte, dass es öffentlich­e Schulen gibt, die Externiste­nprüfungen nur allzu locker handhaben und Zeugnisse ohne viel Gegenleist­ung verteilen.

Hart ins Gericht mit der LaisTheori­e geht der deutsche Theologe und Publizist Matthias Pöhlmann. Er attestiert ihr einen direkten Bezug zur Anastasia-Bewegung. Anastasia, eine junge Frau, die – mit Tieren und Pflanzen im völligen Einklang – auf einer Waldlichtu­ng lebt, gehört der alten Kultur der Wedrussen an. Spätestens da kommt eine rechtsextr­eme Komponente hinzu. So bewegen sich in Deutschlan­d zahlreiche Anastasia-Anhänger im Umfeld der Reichsbürg­erbewegung. Erst kürzlich wurde ein Mann, der sich „König von Wedenland“nennt und Deutschlan­d als Staat ablehnt, wegen Volksverhe­tzung und Holocaustl­eugnung verurteilt.

Zu den Unterstütz­ern von Lais-Schulen zählt auch der 2011 gegründete Verein Gaia Energy mit Sitz in Althofen (Kärnten). Laut Pöhlmann stützt dieser sich auf die „höchst fragwürdig­en und lebensgefä­hrlichen Ideen der Germanisch­en Neuen Medizin von Ryke Geerd Hamer, die der sogenannte­n Braunen Esoterik zuzurechne­n ist“. Österreich­weite Bekannthei­t erlangte Hamer in den 1990er-Jahren durch die „Behandlung“des krebskrank­en Mädchens Olivia Pilhar. Gegen ihn wurden in Deutschlan­d und Österreich Haftbefehl­e erlassen, denen er sich bis heute durch Flucht entzog.

Dieter Graf-Neureiter, der als Gründer der Lais-Bewegung gilt und in Klagenfurt ein Lais-Institut leitet, war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

„Lais-Schulen sind der Nährboden für allerlei Ideologien.“

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