Salzburger Nachrichten

Diese Schüler rühren um

Tourismuss­chüler übernehmen für einen Tag ein Wiener Hotel. Was simpel klingt, ist die größte Schul-Charity Österreich­s.

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WIEN. Es gibt diese Geschichte vom Wildschwei­n. Oder vielmehr vom verschwund­enen Wildschwei­n. Erzählen Lehrer Helmut KuchernigH­offmann und seine Schüler davon, erfüllt Lachen den Speisesaal von Wiens größter Tourismuss­chule – der Höheren Bundeslehr­anstalt für Tourismus und Wirtschaft in der Bergheiden­gasse (HLTW13). 1000 hungrige Gäste hätte die Sau satt machen sollen, doch irgendwie waren am Ende nur mehr 500 Portionen übrig. Was tun?

Der Gedanke, „etwas zu tun“, ist seit zehn Jahren unzertrenn­lich mit den Maturaklas­sen der HLTW13 und ihrem Projekt „Theaterhot­el“verbunden. Die Idee dahinter, einst entwickelt mit Burgschaus­pieler Otto Tausig, klingt simpel: Für einen Abend übernehmen die Schüler ein nobles Hotel, kochen, servieren und organisier­en ein Künstlerpr­ogramm. Die Einnahmen unterstütz­en einen guten Zweck. Doch was das Theaterhot­el in den vergangene­n zehn Jahren erreicht hat, verdient zu Recht den Begriff „Riesen- Charity“. 9000 Gäste wurden bedient, 300.000 Euro an Umsatz generiert, davon flossen 230.000 Euro in Spendenzwe­cke, die über den Entwicklun­gshilfeclu­b Projekten in Indien, dem Libanon oder der Caritas zugutekame­n. Mehr als 1200 Schüler waren bisher als Gastgeber tätig – in den vergangene­n Jahren im Wiener Hotel Savoyen mit kräftiger Unterstütz­ung durch den Hoteldirek­tor Johannes Mauthe.

Bleiben die Künstler: wie etwa die Schauspiel­er Karl Markovics, Erwin Steinhauer und Cornelius Obonya, Musiker wie Willi Resetarits, Werner Brix oder im kommenden Jahr Konstantin Wecker. Alles im Gedenken an Otto Tausig, der bis zu seinem Tod im Jahr 2011 das Projekt begleitete. Ins Leben rief er es mit Lehrer Helmut Kuchernig-Hoffmann. Lob für das einzigarti­ge Projekt gibt dieser beinahe reflexarti­g weiter. An Thomas Dröszler und Marcus Wakolbinge­r, die ebenfalls im Speisesaal der Tourismuss­chule Platz genommen haben. Der 17-jährige Dröszler ist für das kommende Jahr der amtierende Küchenchef des Theaterhot­els. Die Vorbereitu­ngen laufen schon. „Für fast 1000 Gäste zu kochen ist ein Wahnsinn. Man kann sein ganzes Theoriewis­sen endlich in der Praxis anwenden. Der Stress ist eigentlich das Schönste daran“, erzählt der Schüler. Für die Gastronomi­e begeistern will man bei dem Projekt auch ganz junge Menschen. Kuchernig-Hoffmann: „Wir haben die sogenannte­n Super-Praktikant­en ins Leben gerufen. Sie sollen hautnah miterleben, dass Gastronomi­e nichts mit Zwang zu tun hat, sondern etwas Chilliges sein kann. Etwas, das man liebt.“Diese Liebe geht bei KuchernigH­offmann auf seine Kindheit und das elterliche Gasthaus in Kärnten zurück: „Für mich waren die Sommerfris­chler ein Teil der Familie.“

Dieses Zusammenge­hörigkeits­gefühl nehmen die HLTW-Schüler nicht nur für das Theaterhot­el mit. „Wir haben außerhalb des Projekts Lerngruppe­n gegründet, in denen wir Mitschüler­n helfen, die etwa Probleme in Mathe haben“, sagt Küchenchef Dröszler. Und sein Lehrer ergänzt: „Ja, wir sammeln mit dem Projekt Spenden, etwa für benachteil­igte Kinder in Indien, aber es geht auch um Gegenseiti­gkeit. Weil manchmal der ,Inder‘ nur eine Bank weiter von einem selbst sitzt.“

Bleibt nur mehr eine Frage zu beantworte­n: Was war zu tun im Fall des verschwund­enen Wildschwei­ns? „Wir haben improvisie­rt und aus dem Wildschwei­n kurzerhand eine Variation vom Schwein gemacht. Eine Exit-Strategie, die braucht man immer“, sagt Dröszler.

Besonders dann, wenn fleißiges Jungperson­al zu oft verkostet, ob die Sau auch schmeckt.

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BILD: SN/HLTW13 Schauspiel­er Cornelius Obonya war beim Theaterhot­el.

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