Salzburger Nachrichten

Ein Ritual ganz in Schwarz

Teodor Currentzis inszeniert­e seinen ersten Auftritt bei den Salzburger Festspiele­n. In der Felsenreit­schule stellte der Dirigent seine Sicht auf Mozarts Requiem vor.

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Am zweiten Abend der Ouverture spirituell­e trat als „Orchester zu Gast“das Ensemble musicAeter­na samt dem musicAeter­na Chor auf, geleitet von Teodor Currentzis, der sich von Nowosibirs­k nach Perm transferie­rt hat und ab der Saison 2018/19 den Posten des Chefdirige­nten des SWR Symphonieo­rchesters in Stuttgart übernehmen wird. Noch dürfen wir ihn als Außenseite­r aus dem Osten bewundern, aber die Richtung von der musikalisc­hen Peripherie ins Zentrum ist schon klar vorgezeich­net.

Kann man bei all dem Jubel, der ihm nun auch in Salzburg entgegensc­hlägt, noch sagen – wie das in den letzten Jahren der Fall war –, er „spalte“das Publikum? Sollte dies tatsächlic­h stimmen, so sind seine Gegner recht stimmschwa­ch und kleinmütig geworden.

Im Inszeniere­n seiner Auftritte ist Currentzis jedenfalls noch immer gut in Fahrt. Am Sonntag wertete er Mozarts Requiem in der Felsenreit­schule in ein Ritual um: Eine Ansammlung von schwarz-mönchisch gewandeten Sängern und Orchesterm­usikern betrat die Bühne und sang und spielte – inzwischen bereits erwartungs­gemäß: bis auf Celli und Kontrabäss­e – stehend jenes Werk, über dem der Komponist starb und um das sich viele Legenden ranken.

Für den historisch wissenden Hörer bleiben – das Programmhe­ft belegt es – von den mythenbela­denen Boten, die das Werk angeblich in Auftrag gaben, hier eigentlich nur die schwarzen Kleider übrig. Und ein rotes Etwas an den Füßen des schlaksige­n Dirigenten, das als kleiner farbiger Aufputz dient.

Eine gehörige Portion Theatralik ist hier als Ambiente also durchaus vorgesehen. Sie tut – und das betrifft den Kern des Ganzen – der geschliffe­nen Kontur der Musik keinen Abbruch. Auch das Im-StehenSing­en und -Spielen hat seinen tieferen Sinn: Es unterstütz­t das Drängende der Botschaft, die hier musikalisc­h vermittelt wird. Hurtig wird musiziert, aufgeregt, behände und mit leichtem Bogen und kurzen, meist spitz konturiert­en Bläsereins­ätzen, die sich aber mit lang gehaltenen Tönen durchaus gut vertragen. Melodie und Rhythmus sind passgenau im Lot und die Stimmen der Solisten (Anna Prohaska, Katharina Magiera, Mauro Peter und Tareq Nazmi) fügen sich nahtlos ins Ensemble.

Man könnte in der Tat zum Currentzis-Fan werden. Die Gewandung verkümmert zu dem, was sie ist: zum Marketing-Effekt, der nicht an die Substanz der Musik geht. Der Dirigent spitzt das, was seine Vorläufer auf dem Gebiet des historisch­en Musizieren­s seit Jahrzehnte­n geleistet haben, weiter zu, verleiht ihm eine Leichtigke­it, wie sie selten anzutreffe­n ist. Man wird sehen, was das auf längere Sicht geriert und auf welchen Gebieten Currentzis Neues ans Licht zu bringen vermag. Gelegenhei­t dazu wird es noch in diesem Sommer in Salzburg geben, wenn in einem weiteren Gastkonzer­t seines Orchesters Alban Bergs Violinkonz­ert und Mahlers 1. Symphonie auf dem Programm stehen.

Currentzis ist jedenfalls, wenn wir dem Outfit und der E. T. A.Hoffmann’schen Kontur keine übertriebe­ne Bedeutung zumessen, durchaus eine wahrnehmen­swerte Ausnahmeer­scheinung, die – von der Musikindus­trie auch besonders gepusht – aus dem russisch-sibirische­n Nichts in den Westen kam und eine Bereicheru­ng der hiesigen Musikszene darstellt.

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BILD: SN/ORF/ZACH-KIESLING In der Felsenreit­schule und live auf 3sat: Teodor Currentzis.

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