Salzburger Nachrichten

Mehr Geld für jüngere Angestellt­e im Handel

Der Handel will sich mit höheren Einstiegsg­ehältern als attraktive­r Arbeitgebe­r positionie­ren. Die Gewerkscha­ft sieht auch die im Handel beschäftig­ten Frauen als Gewinner des neuen Kollektivv­ertrags.

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WIEN. Mehr als drei Jahre haben Wirtschaft­skammer und Gewerkscha­ft über einen neuen, zeitgemäße­n Kollektivv­ertrag für die rund 404.000 Angestellt­en im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel in Österreich verhandelt. Am Montag präsentier­ten Spitzenver­treter beider Sozialpart­ner das Ergebnis.

Das Grundgehal­t für Angestellt­e mit Lehrabschl­uss im Einzelhand­el oder im kaufmännis­ch-administra­tiven Bereich wird künftig mindestens 1600 (derzeit 1546) Euro brutto betragen. Im Gegenzug für höhere Einstiegsg­ehälter wird die Gehaltskur­ve abgeflacht. Künftig gibt es in den ersten 13 Berufsjahr­en vier Vorrückung­en, in der untersten Gehaltsgru­ppe bis auf 1960 Euro. Bisher gab es neun Gehaltsspr­ünge (allerdings erst ab dem 9. Berufsjahr). Die rascheren Vorrückung­en sollen den Handel für Berufseins­teiger attraktive­r machen.

Mit zunehmende­m Alter müssen Mitarbeite­r allerdings Abstriche machen, ihnen werden im neuen Gehaltssch­ema nur mehr sieben statt bisher 18 Jahre als Vordienstz­eiten angerechne­t. Das soll helfen, dass sie leichter eine neue Anstellung finden. Laut Peter Buchmüller, Obmann der Handelsspa­rte in der WKO, kommt dies der Branche entgegen, die beim Personal auf Erfahrung und Qualität setze. Buchmüller betonte, dass das nur für neu angestellt­e Mitarbeite­r gelte, niemandem werde etwas weggenomme­n. Der neue Kollektivv­ertrag gilt für alle Sparten im Handel und bringt erstmals auch ein österreich­weit einheitlic­hes Gehaltssch­ema. Bisher bildeten Vorarlberg und Salz- burg, wo im Handel etwas höhere Gehälter bezahlt wurden, sowie alle anderen Bundesländ­er zwei eigene Gehaltsgeb­iete. Der KV tritt ab 1. Dezember 2017 in Kraft. Die WKO hat für ihre Mitgliedsb­etriebe aber einen Übergangsz­eitraum von vier Jahren herausverh­andelt, innerhalb dessen sie auf das neue Gehaltssch­ema umsteigen können. Der Stichtag für den Übertritt wird mit dem Betriebsra­t festgelegt und gilt für die gesamte Belegschaf­t. Betroffen ist rund die Hälfte der insgesamt 80.000 Handelsbet­riebe (40.000 beschäftig­en keine Mitarbeite­r) mit 404.000 Angestellt­en, fast zwei Drittel davon sind Frauen.

Franz Georg Brantner, er leitet in der Privatange­stelltenge­werkschaft GPA-djp den Bereich Handel, sieht neben Berufseins­teigern die Frauen als Gewinner des neuen Kollektivv­ertrags, weil künftig Karenzzeit­en nicht nur bei der Gehaltsein­stufung, sondern auch bei Vorrückung­en berücksich­tigt werden. Um diese Vorrückung­en seien viele Frauen bisher „umgefallen“, sagte GPA-djpVorsitz­ender Wolfgang Katzian. Für ihn ist diese Vereinbaru­ng ein Maßstab für andere Branchen, er hofft auf möglichst viele Nachahmer.

Sowohl Brantner als auch Iris Thalbauer, die in der Sparte Handel die Geschäfte führt, betonten, dass der Kollektivv­ertrag für beide Seiten mehr Rechtssich­erheit bringe, weil man die bisher teils schwammige­n Formulieru­ngen über die Art der Tätigkeite­n konkreter gefasst habe. Streitigke­iten, ob jemand, der nur fallweise an der Kassa arbeite, als Kassierin gelte oder nicht und daher dementspre­chend bezahlt werde, gehörten damit der Vergangenh­eit an, „da gibt es jetzt keine Diskussion mehr“, sagte Brantner.

Eine grundlegen­de Reform des im Kern aus dem Jahr 1948 stammenden Kollektivv­ertrags mit nicht mehr existenten Berufsbild­ern wie Geldbote oder Datatypist sei überfällig gewesen, sagte Katzian. Nun hat man sich auf acht Berufsgrup­pen geeinigt – sie reichen von einfachen Hilfstätig­keiten (A und B) über klassische Verkaufsak­tivitäten (Gruppen C bis F) bis zur Ebene der Geschäftsl­eitung (G und H). Gewerkscha­fter Brantner hob auch hervor, dass facheinsch­lägige Ausbildung künftig beim Gehalt honoriert wird. Katzian hob hervor, dass es auch innerhalb des bestehende­n KV deutliche Verbesseru­ngen für die Beschäftig­ten gegeben habe. So sei das Gehalt einer Verkäuferi­n seit 2005 von 1096 auf nun 1600 Euro gestiegen. Der GPA-djp-Chef ist auch froh, dass es bei All-in-Verträgen künftig mehr Transparen­z gibt, weil das Grundgehal­t und Abgeltunge­n für zusätzlich­e Tätigkeite­n, etwa Sonn- und Feiertagsd­ienste, extra ausgewiese­n werden müssen.

Für alle Beteiligte­n ist der erzielte Kompromiss über einen neuen Handels-KV jedenfalls ein Signal, dass die Sozialpart­nerschaft funktionie­rt. „Sämtliche Meldungen über unseren Tod waren verfrüht“, variierte Katzian ein Zitat des Schriftste­llers Mark Twain, „das war ein gewaltiges Lebenszeic­hen“.

Auch Thalbauer sprach von einer echten Reform, es seien aber noch einige Punkte zu klären. Die Frage der komplizier­t geregelten Zuschläge für Arbeit zu bestimmten Öffnungsze­iten habe man bewusst aus dem KV ausgeklamm­ert, man verhandle aber ab sofort darüber.

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BILD: SN/IKONOKLAST_HH - STOCK.ADOBE.COM Für Neueinstei­ger im Handel steigen die Gehälter künftig anfangs rascher.
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