Salzburger Nachrichten

EU ermittelt gegen Autobauer

Unter Kennern der deutschen Autobranch­e sollen die „Fünferrund­en“längst kein Geheimnis mehr gewesen sein. Die Kartellvor­würfe könnten Geldstrafe­n in Milliarden­höhe bringen.

- SN, APA/Reuters, dpa

Unter dem Druck der Kartellvor­würfe trommelt Volkswagen als erster betroffene­r deutscher Autoherste­ller den Aufsichtsr­at zusammen. Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch habe das 20-köpfige Gremium für Mittwoch zu einer außerorden­tlichen Sitzung einberufen, sagte ein Konzernspr­echer am Montag. Dabei gehe es um die am Wochenende bekannt gewordenen Vorwürfe illegaler Absprachen von VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW in der Fahrzeugen­twicklung, sagte ein Insider. Die EU-Kommission hatte einen Bericht des „Spiegel“bestätigt, wonach sie dem Verdacht solcher Absprachen nachgeht. An der Börse gingen Autoaktien zu Wochenbegi­nn auf breiter Front auf Talfahrt: VW, Daimler und BMW waren mit Abstand die größten Verlierer im deutschen Aktieninde­x DAX. Die Kurse für die Papiere der im DAX notierten Hersteller Daimler, Volkswagen und BMW sackten um teils mehr als dreieinhal­b Prozent ab.

Die „Fünferrund­en“, über die der „Spiegel“berichtet, sind seit Längerem kein Geheimnis mehr in der Branche. Der Begriff beschreibt laut Insidern, dass fünf Marken beteiligt waren. Bei den Treffen ging es Eingeweiht­en zufolge meist um technische Details, die nicht wettbewerb­srelevant gewesen sein sollen. Ermittler müssen nun klären, ob gegen Gesetze verstoßen wurde.

Die genannten Unternehme­n schweigen zu den Kernvorwür­fen. BMW wies lediglich den Vorwurf unzureiche­nder Abgasreini­gung zurück. In den Belegschaf­ten macht sich inzwischen Angst um die Arbeitsplä­tze breit. Die Betriebsrä­te von Volkswagen und Daimler sowie Gewerkscha­ft IG Metall forderten eine umfassende Aufklärung.

Daimler-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Michael Brecht, der auch stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Stuttgarte­r DAX-Konzerns mit den Marken Mercedes & smart ist: „Arbeitsplä­tze dürfen nicht durch kartellwid­riges Verhalten riskiert werden. Wir brauchen eine vollständi­ge Aufarbeitu­ng“, sagte Brecht. „Danach müssen Konsequenz­en gezogen werden“, fügte er hinzu. Wie diese aussehen, könne noch nicht beurteilt werden.

Der „Spiegel“beruft sich, wie berichtet, auf einen Schriftsat­z von Volkswagen, der eine Art Selbstanze­ige darstelle. Demnach sollen sich Vertreter der Unternehme­n seit mehr als zwei Jahrzehnte­n regelmäßig in Arbeitskre­isen getroffen haben, um sich über die Technik ihrer Fahrzeuge sowie über Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abzusprech­en. Dabei soll es auch um die Abgasreini­gung mit dem Zusatz von AdBlue (Harnstoff) und um die Größe der dafür nötigen Tanks gegangen sein. Letztlich sei damit auch die Basis für die Dieselmani­pulation gelegt worden, unter deren Folgen die Hersteller derzeit ächzen. Daimler soll sich ab 2011, als ein Lkw-Kartell aufflog, von den Treffen teilweise zurückgezo­gen haben, berichtet die „Süddeutsch­e Zeitung“.

Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies eines der größten Kartelle in der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e. Experten rechnen mit milliarden­schweren Strafen und befürchten einen weiteren Imageschad­en für die deutsche Autoindust­rie, in der direkt mehr als 800.000 Menschen allein in Deutschlan­d arbeiten. Das deutsche Bundeskart­ellamt und die EUKommissi­on haben Informatio­nen „zu möglichen Absprachen im technische­n Bereich zwischen deutschen Autoherste­llern“, wie das Kartellamt erklärte. Nach Angaben des Wirtschaft­sministeri­ums in Berlin ist die EU-Kommission federführe­nd bei der Aufklärung­sarbeit.

Die deutsche Bundesregi­erung erklärte, die Kartellvor­würfe sollten auch Thema des Diesel-Gipfels Anfang August sein. Dann will die Branche über Wege zur Reduzierun­g der hohen Stickstoff­belastung beraten, um Fahrverbot­e in Städten zu verhindern.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria