Salzburger Nachrichten

MotzArt: Eine große Frage braucht plakative Antworten

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Wie sieht es aus, wenn ein Komiker seinen Gedanken verliert, mitten im Stück, vor ausverkauf­tem Saal? Anderen Kabarettis­ten wäre der Ernst der Situation vielleicht an der Stimme anzuhören. Beim Schweizer Duo Ohne Rolf hingegen kann man dem Gedanken beim Fallen tatsächlic­h zusehen: Jedes Wort, das die beiden auf der Bühne miteinande­r wechseln, ist auf ein Plakat geschriebe­n. „Erlesene Komik“nennen sie ihr Prinzip. Gesprochen wird den ganzen Abend nicht. Stattdesse­n liest das Publikum die Dialoge, die sich zwischen den beiden Akteuren, besser gesagt, zwischen ihren beiden Plakatstän­dern, entspinnen, mit. Wie zwei Zauberküns­tler stehen sie hinter schwarzen Vorrichtun­gen, und holen in exakt choreograf­ierter Abfolge Plakate hervor. Zuschauerg­edanken können sie zudem mit einer Art Klingelbeu­tel abfangen und von den darin versteckte­n Zetteln ablesen.

Was auf den Blättern steht, ist freilich alles vorgeferti­gt und fein säuberlich in Reihenfolg­e gebracht. Doch wie sie damit Überraschu­ngseffekte erzeugen, ist ziemlich große Kleinkunst.

Auch an philosophi­schen Fragen arbeiten sich Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg im Stück „Unferti“ab, das am Donnerstag beim MotzArt-Festival in der ARGEkultur Salzburgpr­emiere hatte. „Glaubst du nicht an den Autor?“, fragt der eine, als Zweifel aufkommen, wer ihnen ihre Rollen eigentlich auf den Leib geschriebe­n hat. „Nein, ich bin Plakatheis­t“, antwortet der andere.

Das Schicksal der beiden Charaktere ist in jedem Fall unbarmherz­ig vorgeschri­eben. Dass die Grenzen der Sprache zugleich die Grenzen der Welt sind und man deshalb nicht denken kann, was sich nicht in Worten ausdrücken lässt, hat einst der Philosoph Ludwig Wittgenste­in dargelegt. Bei Ohne Rolf wird die Sache nun anschaulic­h: Ein Entkommen aus dem System gibt es nicht, nicht einmal, als sie die Vorgaben ihres Schöpfers zerreißen und mit viel Klebeband ihre eigenen Botschafte­n basteln wollen.

Normalerwe­ise erzielt im Theater der Stimmeinsa­tz die größte Wirkung. Hier sind es Blätter, die die Welt bedeuten. Auch stumm lässt sich transporti­eren, was sonst in der Sprache mitschwing­t. Wie in Comics passen sich die Schriftart­en den Emotionen an. „Halt den Rand!“, wird der eine in fetten Lettern angebrüllt. „Mach ich doch“, antwortet dieser und deutet auf das Plakat, dessen Rand er hält.

Für ihren plakativen Humor sind Ohne Rolf in der Schweiz aktuell auch für den Kabarettpr­eis 2018 nominiert. In Salzburg endet das MotzArt-Festival heute, Samstag, mit Sigi Zimmerschi­ed.

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BILD: SN/ARGE/GRÖSSINGER Das Duo Ohne Rolf.
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