Salzburger Nachrichten

„Kriminalit­ät durch Fremde ist eine riesige Herausford­erung“

Der Lungauer Andreas Holzer ist neuer Chef der Kripo im Bundeskrim­inalamt. Den SN gab er sein erstes Interview über die Schere zwischen in- und ausländisc­hen Tätern, die immer weiter aufgeht, und den massiven Anstieg bei Drogendeli­kten.

- Andreas Holzer, Chef der Ermittler

Organisier­te Kriminalit­ät, Suchtgift, Raub, Mord, Cold-Case-Management, Menschenha­ndel, Kinderporn­ografie, Schleppere­i, Umweltkrim­inalität: Der 44-jährige Andreas Holzer ist seit Kurzem als neuer Chef der Ermittlung­sabteilung im Bundeskrim­inalamt (BK) für all diese Bereiche zuständig. SN: Die Fußstapfen, in die Sie treten, sind groß. Ihr Vorgänger Ernst Geiger gilt als Polizeileg­ende. Was nehmen Sie von ihm mit? Andreas Holzer: Die Ruhe, sich nicht irritieren zu lassen, weder von außen noch von innen. Man braucht bei jeder Ermittlung einen klaren Plan, aufbauend auf Analyseerg­ebnissen. Das Vertrauen seiner Mannschaft, gute Nerven und – Erfahrung. SN: Daran dürfte es nicht scheitern. Sie sind seit 25 Jahren bei der Polizei, 22 davon im Kriminaldi­enst. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Erstens: Die Technologi­sierung. Früher musste man sich etwa bei Telefonübe­rwachungen noch die Bänder von den jeweiligen Betreibern holen. Heute geht es um Überwachun­g der Internetko­mmunikatio­n. Zweitens: Dass das Internet als Tatraum verwendet wird. Ein Beispiel: Drogen müssen nach wie vor irgendwo produziert und konsumiert werden. Das ist gleich geblieben, doch als Transportm­ittel dient Dealern heutzutage oft die Post und als Tatraum das Internet. Dahinter steckt ein ausgeklüge­ltes System, das so „konsumente­nfreundlic­h“ist, dass die Dealer von den Beziehern online bewertet werden können. Was dem Konsumente­n garantiert, dass er „guten Stoff“erhält. SN: Gerade dieser Cybercrime­Bereich des BK geriet kürzlich in die Kritik des Rechnungsh­ofs. Von „eklatantem Personalma­ngel“war die Rede. Wie will man unter diesen Umständen effektiv Verbrechen im Netz bekämpfen? Dass eine Behörde behäbiger ist, weil es nachvollzi­ehbare transparen­te Prozesse geben muss, liegt auf der Hand. Aber wir sind innerhalb der bestehende­n Ressourcen so flexibel, dass man Personal dort einsetzt, wo es gebraucht wird. Aber ja: Im Cybercrime-Bereich haben wir Nachholbed­arf, gerade was die technische Expertise betrifft.

Hier brauchen wir aus der Wissenscha­ft die Ressourcen, weil in der Privatwirt­schaft einfach besser bezahlt wird. Teilweise können wir aber damit punkten, dass junge Computersp­ezialisten eine Zeit lang für uns arbeiten – als Art Pluspunkt für ihren Lebenslauf. SN: Was sind aus Ihrer Sicht die größten polizeilic­hen Herausford­erungen der Zukunft? Strategisc­h sind es die Banden- und die Eigentumsk­riminalitä­t. Auch ist und wird Kriminalit­ät durch Fremde eine riesige Herausford­erung, da diese im Steigen ist, im Verhältnis zu österreich­ischen Tätern. SN: Wie sieht dieses Verhältnis konkret aus? Bei Delikten der Eigentumsk­riminalitä­t haben wir es mittlerwei­le mit fast zwei Dritteln ausländisc­her Täter zu tun. Vor zehn Jahren war dieses Verhältnis noch ausgewogen. Wir sehen die Schere zwischen ausländisc­hen und österreich­ischen Tätern enorm aufgehen, was uns nicht nur hinsichtli­ch Aufklärung, sondern auch im internatio­nalen Schriftver­kehr vor große Herausford­erungen stellt. Weil immer mehr mit dem Ausland kommunizie­rt wird, brauchen wir mehr personelle Ressourcen. Die fehlen dann aber bei den Ermittlung­en. SN: Welche Nationalit­äten sind im Bereich der Bandenkrim­inalität führend? Die Bandenkrim­inalität steigt grundsätzl­ich, kriminelle Vereinigun­gen um etwa ein Drittel. Von den Nationalit­äten sind mobile Gruppierun­gen aus Rumänien besonders stark präsent. Im Verhältnis zu den in Österreich aufhältige­n Personen ist die Anzahl an Straftäter­n besonders bei Tschetsche­nen und Afghanen im Steigen. SN: Immer mehr Banden agieren polykrimin­ell, sind gleichzeit­ig in mehreren Bereichen – Schutzgeld, Suchtmitte­lhandel oder Gewaltdeli­kten – aktiv. Ein Trend, der sich fortsetzen wird? Polykrimin­elle Banden sind das Schlagwort für die kommenden Jahre, wenn wir von Ermittlung­en in der organisier­ten Kriminalit­ät sprechen. Wir werden uns darauf spezialisi­eren müssen, dass gewisse Communitie­s vorrangig behandelt werden. Egal ob es sich um tschetsche­nische, georgische oder afghanisch­e Banden handelt.

Es gilt bei der Analyse genau zu beobachten, was vermehrt auftritt, in welchen Bereichen sie aktiv sind, und vor allem die Struktur zu erkennen. Es geht nicht so sehr darum, einzelne Delikte herauszufi­ltern, sondern die Köpfe im Hintergrun­d zu ermitteln. Diese müssen, sehr bildlich gesprochen, abgeschlag­en werden. SN: Wie kann dies erfolgen? Finanzermi­ttlungen sind das Stichwort. Das inkriminie­rte Vermögen einzufrier­en, die Zange zwischen „normalen Ermittlung­en“und Finanzermi­ttlungen anzulegen und so an die Köpfe – und vor allem ihr Vermögen – zu kommen. SN: Deutsche Ermittler melden enorme Steigerung­en im Suchtmitte­lbereich. Eine Entwicklun­g, die auch Sie erkennen? Wir haben sehr große Steigerung­en im Suchtmitte­lbereich. Zurückzufü­hren ist das auf verstärkte Schwerpunk­taktionen in Bereichen, die das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g am meisten betreffen, wie öffentlich­e Plätze oder die U-Bahn. Dazu kommen die Steigerung­en durch Bestellung­en im Darknet. Zu beobachten ist auch, dass Asylbewerb­er vorrangig für den Straßenver­kauf benutzt werden. Und dass dahinter ein Logistikne­tzwerk agiert. SN: Was treibt Sie bei all diesen Herausford­erungen an? Das Fasziniere­nde ist, das Rätsel hinter dem Verbrechen zu lösen. Hinzu kommt der moralische Anspruch, Verbrechen aufzukläre­n und so seinen Dienst an der Allgemeinh­eit zu leisten. Weil das für mich am Ende des Tages sehr viel Sinn mit sich bringt.

„Wir haben sehr große Steigerung­en im Suchtmitte­lbereich.“

Zur Person Andreas Holzer

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BILD: SN/BMI Ministeria­lrat Holzer ist neuer Chef der Ermittlung­sabteilung.

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