„Maiers Geschichte war die der antiken Helden“
Toni Giger war 1998 als ÖSV-Trainer bei Hermann Maiers Sturz – und Auferstehung – dabei.
ÖSV-Coach Toni Giger (54) erinnert sich im SN-Gespräch an die bewegten Tage von Nagano. SN: Hatten Sie nach Maiers Abflug noch Hoffnung, dass er doch starten kann? Giger: Im Trainerteam war es klar, dass wir Hermann Maier starten lassen würden, wenn es auch nur eine kleine Chance geben sollte. Er war damals in einer solchen Hochform, dass wir nicht auf ihn verzichten wollten. Wir hatten drei Ärzte dabei, die sich mit ihm beschäftigt haben: Toni Wicker, Wulf Glötzer und Andreas Lotz. Ich erinnere mich, wie Werner (Margreiter, damals Herren-Cheftrainer, Anm.) und ich in der Gondel vom Ärzteteam angerufen worden sind und die uns berichtet haben, dass es vielleicht eine kleine Chance gäbe. SN: Die Ärzte waren sich damals aber keineswegs einig – stimmt das? Das ist richtig. Aber wenn es unterschiedliche ärztliche Meinungen gibt, dann neigt man immer der Meinung mit der besten Perspektive zu. Die kam von Andreas Lotz. SN: Nur Maier selbst hatte wohl keine Zweifel, er selbst hielt sich ja immer für unzerstörbar? Hermann hatte sicher die geringsten Zweifel von uns allen, aber ich würde das anders formulieren: Er hatte immer positive Gedanken und ein enormes Potenzial für Selbstmotivation. Hermann Maiers Geschichte ist letztlich wie eine antike Heldengeschichte. Jemand steht vor scheinbar unlösbaren Herausforderungen, die er aber stets überwindet und dadurch zum Helden wird. Das war in Maiers Karriere öfters der Fall. Schon bei seinem Beginn, als ihn viele für zu alt für eine Karriere gehalten haben. Oder in Nagano. Oder später nach seinem Motorradunfall, als auch gezweifelt wurde, ob er jemals wieder zurückkommen würde. Er hat es jedes Mal geschafft. SN: Pepi Strobl war damals als sein Ersatzmann vorgesehen, ist aber an der Maier-Saga zerbrochen. Wie geht man damit als Trainer um? Die Situation war sicher nicht einfach für Pepi Strobl. Aber ich verwehre mich gegen die Darstellung, dass Hermann der einsame Wolf war, an dem die anderen reihenweise zerbrochen sind. Ich weiß schon, dass die Außendarstellung eine andere war, vielleicht hat er es auch genossen. Aber: Maier hat unglaublich viel für das Team geleistet. Wenn ich ihn um etwas gebeten habe, hat er nie Nein gesagt. SN: War er ein Teamplayer? In meinen Augen schon. Er wollte für sich ein Supertraining, das hat er bekommen und davon habe alle profitiert. SN: Was sind Ihre Erinnerungen an die legendäre Fahrt zu Gold? Als Trainer erlebt man ein Rennen ja in kleinen Häppchen, orientiert sich an Zwischenzeiten. Aber rückblickend habe ich gar keine so speziellen Erinnerungen – außer, dass eigentlich allen klar war, dass Hermann Maier an diesem Tag Gold holen würde.