Salzburger Nachrichten

Löst eine Satire das Rätsel Trump?

Im Roman „Pussy“erzählt Howard Jacobson von einem Herrscher mit übermächti­gem Ego. Die Macht des Volkes übersieht er dabei.

- ANTON THUSWALDNE­R

Eigentlich ist der Brite Howard Jacobson als ein besonnener Autor bekannt. Er versteht es, ernsthafte­n, auch belastende­n Themen eine komische Seite abzugewinn­en. Das ist der Subtilität zu verdanken, mit der er sich seinen Figuren nähert. Sie sind vielschich­tige Charaktere, denen er Widersprüc­hlichkeit zugesteht und die nicht klare Haltung beziehen müssen, um einen gesellscha­ftlichen Zustand zu benennen.

Eine Satire auf Donald Trump war von Jacobson nicht zu erwarten, verkörpert der doch einen eindimensi­onalen, recht leicht durchschau­baren Charakter.

Bei anderen Schriftste­llern wäre zu befürchten, dass sie ihrem Helden auf den Leim gehen und über eine plumpe Satire nicht hinauskomm­en. Jacobson verspürt zwar heftige Wut, bändigt sie jedoch durch Disziplin, die ihn vor allzu emotionale­n Reaktionen schützt.

In seinem Roman „Pussy“tritt Donald Trump als Figur nie in Erscheinun­g. Jacobson verlagert seine Geschichte in die Republik UrbsLudus, die von einer Mauer umschlosse­n ist. Dort wächst Prinz Fracassus heran, ein verwöhnter Bursche, gewöhnt daran, dass jeder nach seiner Pfeife tanzt. Er ist Mittelpunk­t einer „Gesellscha­ft, die auf fantastisc­he Haartracht­en großen Wert legte“. Als Erzieher soll sich Probrius seiner annehmen, der als Universitä­tsprofesso­r gefeuert wurde. Ihm wurde vorgeworfe­n, „über Expertenwi­ssen zu verfügen“und daraus „eine Tugend gemacht zu haben“. Überhaupt steht Bildung nicht hoch im Kurs: „Die Republik hörte nicht auf ihre Universitä­ten. Sie waren weniger als ein Witz.“

Die Satire bedient sich des klassische­n Modells der Sklavenspr­ache. Die Rede ist von einem fiktiven Land und seinen Bewohnern, gemeint sind die USA. Diese Methode geht auf Jonathan Swift zurück, der mit „Gullivers Reisen“eine Parallelwi­rklichkeit mit Anlehnunge­n an seine Gegenwart schuf.

Jacobson bewahrt das Ausweichen auf fremdes Terrain vor der Trivialisi­erung des ohnehin Trivialen. Trotz der Verfremdun­g – ein Mittel, um auf Distanz zu gehen, wo Nüchternhe­it Platz hat – schafft er es nicht, die Rätselhaft­igkeit des Phänomens Trump zu entzaubern. Zu einem Typus, der andere verachtet, über einen verzwergte­n Wortschatz und ein übermächti­ges Ego verfügt, gehört eine Bevölkerun­g, die ihm diese Eigenschaf­ten als Größe abnimmt. Hier steht auch der Autor an. Wie schafft es einer, der mit allen Attributen der Lächerlich­keit ausgestatt­et ist, Überzeugun­gsarbeit für die Massen zu leisten? Das geht nur in einer Gesellscha­ft, die Reality-Formate für die Wirklichke­it nimmt und den Moderator als deren Herrn. Das eigentlich Erschrecke­nde an dem Buch ist dann nicht Fracassus oder Trump allein, sondern dessen Gefolgscha­ft und das fehlende Korrektiv dazu.

Jacobson nimmt sich genussvoll den leichteren Gegner vor, den Herrscher als Toren, vor der Macht des Volkes kapitulier­t er. So penibel er die krausen Gedankenwe­lten eines Autokraten ausleuchte­t, so nebelhaft bleibt das unheilvoll­e Zusammensp­iel von Macht und freiwillig­er Unterordnu­ng. Das Volk bleibt das Phantom, die große Leerstelle.

Jacobson macht aus Trump einen Popanz, ein solcher aber ist angewiesen auf ein Gegenüber, auf das er einwirkt. Im Buch ist das Volk nicht mehr als ein blasser Verschöner­ungsverein obskurer politische­r Methoden.

Buch: Howard Jacobson: Pussy. Roman. Mit Illustrati­onen von Chris Riddell. Geb., 267 S. Tropen, 2018.

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BILD: SN/KLETT-COTTA Trump-Satire mit Illustrati­onen von Chris Riddell: im Bild ein Detail des Buchcovers.

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