Löst eine Satire das Rätsel Trump?
Im Roman „Pussy“erzählt Howard Jacobson von einem Herrscher mit übermächtigem Ego. Die Macht des Volkes übersieht er dabei.
Eigentlich ist der Brite Howard Jacobson als ein besonnener Autor bekannt. Er versteht es, ernsthaften, auch belastenden Themen eine komische Seite abzugewinnen. Das ist der Subtilität zu verdanken, mit der er sich seinen Figuren nähert. Sie sind vielschichtige Charaktere, denen er Widersprüchlichkeit zugesteht und die nicht klare Haltung beziehen müssen, um einen gesellschaftlichen Zustand zu benennen.
Eine Satire auf Donald Trump war von Jacobson nicht zu erwarten, verkörpert der doch einen eindimensionalen, recht leicht durchschaubaren Charakter.
Bei anderen Schriftstellern wäre zu befürchten, dass sie ihrem Helden auf den Leim gehen und über eine plumpe Satire nicht hinauskommen. Jacobson verspürt zwar heftige Wut, bändigt sie jedoch durch Disziplin, die ihn vor allzu emotionalen Reaktionen schützt.
In seinem Roman „Pussy“tritt Donald Trump als Figur nie in Erscheinung. Jacobson verlagert seine Geschichte in die Republik UrbsLudus, die von einer Mauer umschlossen ist. Dort wächst Prinz Fracassus heran, ein verwöhnter Bursche, gewöhnt daran, dass jeder nach seiner Pfeife tanzt. Er ist Mittelpunkt einer „Gesellschaft, die auf fantastische Haartrachten großen Wert legte“. Als Erzieher soll sich Probrius seiner annehmen, der als Universitätsprofessor gefeuert wurde. Ihm wurde vorgeworfen, „über Expertenwissen zu verfügen“und daraus „eine Tugend gemacht zu haben“. Überhaupt steht Bildung nicht hoch im Kurs: „Die Republik hörte nicht auf ihre Universitäten. Sie waren weniger als ein Witz.“
Die Satire bedient sich des klassischen Modells der Sklavensprache. Die Rede ist von einem fiktiven Land und seinen Bewohnern, gemeint sind die USA. Diese Methode geht auf Jonathan Swift zurück, der mit „Gullivers Reisen“eine Parallelwirklichkeit mit Anlehnungen an seine Gegenwart schuf.
Jacobson bewahrt das Ausweichen auf fremdes Terrain vor der Trivialisierung des ohnehin Trivialen. Trotz der Verfremdung – ein Mittel, um auf Distanz zu gehen, wo Nüchternheit Platz hat – schafft er es nicht, die Rätselhaftigkeit des Phänomens Trump zu entzaubern. Zu einem Typus, der andere verachtet, über einen verzwergten Wortschatz und ein übermächtiges Ego verfügt, gehört eine Bevölkerung, die ihm diese Eigenschaften als Größe abnimmt. Hier steht auch der Autor an. Wie schafft es einer, der mit allen Attributen der Lächerlichkeit ausgestattet ist, Überzeugungsarbeit für die Massen zu leisten? Das geht nur in einer Gesellschaft, die Reality-Formate für die Wirklichkeit nimmt und den Moderator als deren Herrn. Das eigentlich Erschreckende an dem Buch ist dann nicht Fracassus oder Trump allein, sondern dessen Gefolgschaft und das fehlende Korrektiv dazu.
Jacobson nimmt sich genussvoll den leichteren Gegner vor, den Herrscher als Toren, vor der Macht des Volkes kapituliert er. So penibel er die krausen Gedankenwelten eines Autokraten ausleuchtet, so nebelhaft bleibt das unheilvolle Zusammenspiel von Macht und freiwilliger Unterordnung. Das Volk bleibt das Phantom, die große Leerstelle.
Jacobson macht aus Trump einen Popanz, ein solcher aber ist angewiesen auf ein Gegenüber, auf das er einwirkt. Im Buch ist das Volk nicht mehr als ein blasser Verschönerungsverein obskurer politischer Methoden.
Buch: Howard Jacobson: Pussy. Roman. Mit Illustrationen von Chris Riddell. Geb., 267 S. Tropen, 2018.