Die Betreuer schildern Zeit vor dem Schuss
Bei einem Polizeieinsatz wegen eines 17-jährigen Flüchtlings fiel ein Schuss. Der Jugendliche kämpfte seit Monaten mit psychischen Problemen.
Zwei Tage nach dem Schuss aus einer Polizeidienstwaffe in einem Wohnheim für jugendliche Flüchtlinge in St. Johann ist wieder Alltag in die Pension eingekehrt. In einem Container hinter dem Haus bekommen zwei Jugendliche einen Deutschkurs. Die anderen sind in der Schule. 21 Jugendliche seien in dem Heim untergebracht, 17 könnten gut genug Deutsch, um den Unterricht zu besuchen, sagt Leiter Georg Winkler.
Da zählt er auch den 17-jährigen Jugendlichen dazu, der am Montag einen Zusammenbruch hatte. Der Jugendliche wohnt seit einem halben Jahr in dem Heim. Er habe von Anfang an psychische Probleme gehabt, sagt Winkler. „Als er zu uns kam, hat es geheißen, er habe Epilepsie. Es stellte sich aber heraus, dass es sich bei den Anfällen um Nervenzusammenbrüche gehandelt hatte.“Einmal sei er bereits wegen Suizidgefahr in der Doppler-Klinik gewesen. „Die Ärztin hat gesagt, er hat ein posttraumatisches Syndrom, ausgelöst durch furchtbare Erlebnisse während seiner Flucht und davor. Was ihm genau passiert ist, wissen wir nicht.“
Der Vorfall am Montagabend habe die Betreuer überrascht. „Nachdem er im Spital gewesen war, ging es ihm etwas besser. Seit September besuchte er die Schule. Wir haben ihm stets gesagt, er soll sich an uns wenden, sollte er wieder Probleme haben.“
Das tat er dann auch am Montagabend. Er habe seinem Betreuer
„Die Staatsanwaltschaft bewertet, ob der Einsatz rechtmäßig war.“
gesagt, dass er Selbstmordgedanken habe. Da er sich nicht habe beruhigen lassen, holte der Kollege seinen Betreuer und einen Verwandten zu Hilfe. „Mein Kollege hatte gerade seine Jause im Büro stehen gehabt. Als er zurückkam, hatte der Jugendliche das Jausenmesser in der Hand. Er sagte, er wolle sich etwas antun.“
Die Betreuer riefen die Polizei, die auch schnell kam. „Meine Kollegen haben sich richtig verhalten. Wieso dann der Polizist schoss, können wir uns nicht erklären. Außer den Polizisten und dem Jugendlichen war auch niemand bei dem Vorfall dabei.“
Mittlerweile befindet sich der 17-Jährige auf Anweisung des Landesgerichts in der ChristianDoppler-Klinik. Zwischenzeitlich war er in die Justizanstalt Puch-Urstein gebracht worden. Laut Gerichtssprecher Peter Egger sind eine Anhaltung des Jugendlichen wegen Selbst- und Fremdgefährdung sowie ärztliche Beobachtung erforderlich.
Die Polizei hat Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erstattet. Bezüglich des Waffengebrauchs werde eine Meldung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Grundlage für den Einsatz von Dienstwaffen sei das Waffengebrauchsgesetz, sagt Polizeisprecher Michael Rausch. „Die Staatsanwaltschaft bewertet, ob der Einsatz rechtmäßig war.“Die Polizei bleibe dabei, dass sie gerufen worden sei, weil der 17-Jährige andere Bewohner bedroht habe, sagt Rausch. „Das wurde bei uns so protokolliert.“
In dem Wohnheim in St. Johann herrscht jedenfalls Verunsicherung angesichts des Vorfalls. Prinzipiell arbeite man mit der Polizei gut zusammen, sagt Georg Winkler. „Ich hoffe, dass wir auch künftig zusammenarbeiten können. Denn wir brauchen die Polizei ja auch.“