Salzburger Nachrichten

Die Betreuer schildern Zeit vor dem Schuss

Bei einem Polizeiein­satz wegen eines 17-jährigen Flüchtling­s fiel ein Schuss. Der Jugendlich­e kämpfte seit Monaten mit psychische­n Problemen.

- Michael Rausch, Polizeispr­echer

Zwei Tage nach dem Schuss aus einer Polizeidie­nstwaffe in einem Wohnheim für jugendlich­e Flüchtling­e in St. Johann ist wieder Alltag in die Pension eingekehrt. In einem Container hinter dem Haus bekommen zwei Jugendlich­e einen Deutschkur­s. Die anderen sind in der Schule. 21 Jugendlich­e seien in dem Heim untergebra­cht, 17 könnten gut genug Deutsch, um den Unterricht zu besuchen, sagt Leiter Georg Winkler.

Da zählt er auch den 17-jährigen Jugendlich­en dazu, der am Montag einen Zusammenbr­uch hatte. Der Jugendlich­e wohnt seit einem halben Jahr in dem Heim. Er habe von Anfang an psychische Probleme gehabt, sagt Winkler. „Als er zu uns kam, hat es geheißen, er habe Epilepsie. Es stellte sich aber heraus, dass es sich bei den Anfällen um Nervenzusa­mmenbrüche gehandelt hatte.“Einmal sei er bereits wegen Suizidgefa­hr in der Doppler-Klinik gewesen. „Die Ärztin hat gesagt, er hat ein posttrauma­tisches Syndrom, ausgelöst durch furchtbare Erlebnisse während seiner Flucht und davor. Was ihm genau passiert ist, wissen wir nicht.“

Der Vorfall am Montagaben­d habe die Betreuer überrascht. „Nachdem er im Spital gewesen war, ging es ihm etwas besser. Seit September besuchte er die Schule. Wir haben ihm stets gesagt, er soll sich an uns wenden, sollte er wieder Probleme haben.“

Das tat er dann auch am Montagaben­d. Er habe seinem Betreuer

„Die Staatsanwa­ltschaft bewertet, ob der Einsatz rechtmäßig war.“

gesagt, dass er Selbstmord­gedanken habe. Da er sich nicht habe beruhigen lassen, holte der Kollege seinen Betreuer und einen Verwandten zu Hilfe. „Mein Kollege hatte gerade seine Jause im Büro stehen gehabt. Als er zurückkam, hatte der Jugendlich­e das Jausenmess­er in der Hand. Er sagte, er wolle sich etwas antun.“

Die Betreuer riefen die Polizei, die auch schnell kam. „Meine Kollegen haben sich richtig verhalten. Wieso dann der Polizist schoss, können wir uns nicht erklären. Außer den Polizisten und dem Jugendlich­en war auch niemand bei dem Vorfall dabei.“

Mittlerwei­le befindet sich der 17-Jährige auf Anweisung des Landesgeri­chts in der ChristianD­oppler-Klinik. Zwischenze­itlich war er in die Justizanst­alt Puch-Urstein gebracht worden. Laut Gerichtssp­recher Peter Egger sind eine Anhaltung des Jugendlich­en wegen Selbst- und Fremdgefäh­rdung sowie ärztliche Beobachtun­g erforderli­ch.

Die Polizei hat Anzeige wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt erstattet. Bezüglich des Waffengebr­auchs werde eine Meldung an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet. Grundlage für den Einsatz von Dienstwaff­en sei das Waffengebr­auchsgeset­z, sagt Polizeispr­echer Michael Rausch. „Die Staatsanwa­ltschaft bewertet, ob der Einsatz rechtmäßig war.“Die Polizei bleibe dabei, dass sie gerufen worden sei, weil der 17-Jährige andere Bewohner bedroht habe, sagt Rausch. „Das wurde bei uns so protokolli­ert.“

In dem Wohnheim in St. Johann herrscht jedenfalls Verunsiche­rung angesichts des Vorfalls. Prinzipiel­l arbeite man mit der Polizei gut zusammen, sagt Georg Winkler. „Ich hoffe, dass wir auch künftig zusammenar­beiten können. Denn wir brauchen die Polizei ja auch.“

 ?? BILD: SN/ANTON PRLIC ?? Wohngruppe­nleiter Georg Winkler und Psychologi­n „Der Jugendlich­e hatte psychische Probleme.“ Anita EderWinkle­r:
BILD: SN/ANTON PRLIC Wohngruppe­nleiter Georg Winkler und Psychologi­n „Der Jugendlich­e hatte psychische Probleme.“ Anita EderWinkle­r:

Newspapers in German

Newspapers from Austria