Gleichstellung im Schulunterricht. Das ist doch zu viel Bürokratie
Die Schulverwaltung wird entrümpelt, mitgeschreddert wurde der Gleichstellungs-Erlass. Ein Grund für kritische Fragen.
Daran besteht kein Zweifel. In der österreichischen Verwaltung gehört aufgeräumt, damit sie einfacher und günstiger wird. Da fängt man am besten bei den wichtigen Dingen an: bei den Frauen. Im Zuge der Entrümpelung in der Schulverwaltung wurden 200 „obsolete und redundante“Rundschreiben und Erlässe aufgehoben. Darunter der Grundsatzerlass zum „Unterrichtsprinzip Erziehung und Gleichstellung von Frauen und Männern“. Ja, das ist das, was Österreich richtigerweise von jenen, die vor Krieg und Terror in unser Land geflüchtet sind, unbedingt verlangt: dass sie die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht nur akzeptieren, sondern leben.
Aber warum streicht man gleichzeitig das Unterrichtsprinzip Gleichstellung aus den österreichischen Schulen? Wurde die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen über Nacht geschlossen? Teilen sich Frauen und Männer in diesem Land nun die Macht, die einflussreichen Posten samt dem dazugehörigen Geld? Gibt es keine sexistischen Übergriffe mehr in der Arbeitswelt? Leider ist dem nicht so. Gut möglich also, dass im Verwaltungs-Streichorchester Beamte und Politiker sitzen, denen das Gender-Thema derart auf die Nerven geht, dass sie es im Zuge der Verwaltungsreform elegant mitgeschreddert haben. Übrigens breitet sich das Argument „Ich kann das Gender-Thema nicht mehr hören“aus wie Grippe im Februar. Sind diese Menschen a) aufgebracht, weil sich bei der Gleichstellung nichts verbessert, oder wollen sie b) nur, dass alles so bleibt, wie es ist, weil das zwar ungerecht, aber bequem ist?
Wir wissen nicht, warum das Unterrichtsprinzip Gleichstellung aus dem Jahr 1995 gekübelt wurde. Verwaltungsaufwand erspart das nicht. Das Bildungsministerium beeilte sich jedenfalls nach Bekanntwerden der Zerstörungstat mitzuteilen, dass im Herbst eine Neutextierung kommen werde. Warum man nicht zuerst einen neuen Text schreibt und dann den alten aufhebt, macht skeptisch. Zumal sich der alte Grundsatzerlass aus 1995 mit Ausnahme eines scharfen s liest, als wäre er soeben erfunden worden. Da heißt es zu den Anliegen: „Be- wußtmachung von geschlechtsspezifischer Sozialisation durch Familie, Schule, Medien und Arbeitswelt sowie von Auswirkungen dieser Sozialisation auf die Ausbildungs- und Berufswahl, Lebensplanung, Freizeitgestaltung und das eigene Denken und Verhalten in jeweils altersadäquater Form. Wahrnehmung von Ursachen und Formen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im Privatbereich und in der Arbeitswelt, der damit verbundenen Berufschancen und Arbeitsbedingungen sowie der unterschiedlichen Repräsentanz von Frauen und Männern in bestimmten Bereichen (wie Politik, Bildungswesen, Kunst, Wissenschaft, Handwerk, Technik) in der Vergangenheit und Gegenwart.“Themen, auf die etwa die heimische Wirtschaft angesichts fehlender Fachkräfte stetig pocht.
Da drängt sich die Vermutung auf, der Wegfall des Gleichstellungs-Erlasses gehört zum Rückbau der Gesellschaft, in der Frauen nur jene Plätze einnehmen, die man ihnen zuteilt.