Salzburger Nachrichten

Österreich wird ein anderes Land

Die Regierung redet vor allem über die Flüchtling­e und baut gleichzeit­ig das Land in einem horrenden Tempo um.

- ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT Alfred Pfeiffenbe­rger

Flüchtling­e, Asyl, Migration, Grenzschut­z. Wohl kaum ein Thema wird so mit Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache und ihrer Regierung in Verbindung gebracht wie dieses. Wo immer Kurz und Strache auftreten: Das Migrations­thema ist immer präsent. Darüber braucht man sich nicht zu wundern. Kein anderes Ereignis hat die Bürgerinne­n und Bürger in diesem Land mehr verunsiche­rt als der Kontrollve­rlust des Staates im Jahr 2015 und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich diese Unsicherhe­it wieder gelegt hat. Kurz und Strache haben mit diesem Thema die Wahl gewonnen und werden es weiter einsetzen, um ihren politische­n Höhenflug absichern zu können.

Diese Regierung hat aber mehr vor, als nur die Migration zu begrenzen und neu zu ordnen. Im Schatten des Flüchtling­sthemas machen sich Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache daran, dieser Republik ein neues Gesicht zu geben: neoliberal und rechts. So wie sie es in ihrem Wahlprogra­mm angekündig­t haben.

All das passiert in einem atemberaub­enden Tempo. Bereits wenige Monate nach ihrer Angelobung hat die Regierung die Arbeitszei­ten neu geregelt, sprich die Höchstarbe­itszeiten hinaufgese­tzt. Der Familienbo­nus wurde eingeführt, der vor allem der Mittelschi­cht, dem eigentlich­en Wählerrese­rvoir von ÖVP und FPÖ, zugutekomm­t. Die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen ist ebenfalls bereits in Angriff genommen und auch die Mindestsic­herung wird neu geregelt. Dass die Befugnisse der Polizei erweitert werden und das Militär gestärkt wird, rundet das Bild ab. Und Umfragen zeigen, dass die Regierung mit dieser Politik durchaus auf Zustimmung bei der Mehrheit der Bürgerinne­n und Bürger stößt.

Allerdings sollte man die Kollateral­schäden dieser Politik nicht unterschät­zen. Denn auf der Strecke bleibt etwas, das bisher immer als die große Stärke Österreich­s gegolten hat. Das Miteinande­rreden, das Aufeinande­rzugehen, das Daraufscha­uen, dass, wenn es irgendwie geht, niemand zurückgela­ssen wird. Sozialstaa­t, Sozialpart­nerschaft, eine Streikkult­ur, die sich in Sekunden pro Jahr bemessen lässt, sind die Vokabeln, die dafür im politische­n Diskurs bisher immer verwendet wurden.

Österreich ist dabei, ein anderes Land zu werden. Vielleicht ist das notwendig, um in einer Welt, die immer unsicherer und härter wird, bestehen zu können. Ob es Österreich sympathisc­her und menschlich­er macht, das ist eine ganz andere Frage.

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