Salzburger Nachrichten

Polens Richter leisten Widerstand

Premier Mateusz Morawiecki erntet Kritik für Justizrefo­rm.

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Der Streit um den Zwangsruhe­stand für Richter an Polens Oberstem Gerichtsho­f sorgte am Mittwoch auch im fernen Straßburg für Demonstrat­ionen. Ein Grüppchen von Aktivisten protestier­te unter dem Motto „Nicht in unserem Namen“vor dem Eingang des EU-Parlaments anlässlich eines Auftritts des polnischen Regierungs­chefs Mateusz Morawiecki.

In Warschau erschien die Vorsitzend­e Höchstrich­terin Małgorzata Gersdorf indes normal zur Arbeit und protestier­te damit gegen ihre Pensionier­ung. Sie mische sich nicht in die Politik ein, sagte Gersdorf. Sie wolle aber für die Rechtsstaa­tlichkeit in Polen kämpfen und „die Grenze zwischen der Verfassung und dem Verstoß gegen die Verfassung aufzeigen“.

Gersdorf wurde vor dem Gerichtsge­bäude von 3000 bis 4000 Demonstran­ten empfangen. Sie riefen „Freie Gerichte“, „Verfassung“und „Unabsetzba­r“. Am Abend schloss sich auch der polnische ExPräsiden­t und Friedensno­belpreistr­äger Lech Walesa den Protesten gegen die Herabsetzu­ng des Pensionsal­ters der Richter von 70 auf 65 Jahre an. Das umstritten­e Gesetz betrifft 27 der 73 Richter am OGH. 16 von ihnen haben bei Staatschef Andrzej Duda um eine Verlängeru­ng angesucht, nicht jedoch Gersdorf und einige andere.

Die Situation ist unklar, denn Duda hat Józef Iwulski als Interimspr­äsidenten ernannt, den Gersdorf gleichzeit­ig zu ihrem Vertreter während ihrer „Abwesenhei­t“machte. Damit bekräftigt­e sie, dass sie das Amt weiterhin beanspruch­t.

Morawiecki beharrte auf Polens Recht, ein „Rechtssyst­em gemäß seinen eigenen Traditione­n“zu errichten. „Respekt der nationalen Identitäte­n“sei ein grundlegen­des Prinzip der EU und dürfe „kein leerer Slogan“werden. Mit der Reform bekämpfe die Regierung den Umstand, dass es immer noch Richter aus der Zeit des Kriegsrech­ts während der kommunisti­schen Herrschaft in Polen gebe.

Von den EU-Abgeordnet­en gab es heftige Kritik. Der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber, kritisiert­e, Richter würden wegen ihrer politische­n Meinung entlassen. Der Chef der Liberalen, Guy Verhofstad­t, warf Morawiecki das „systematis­che Liquidiere­n der demokratis­chen Kontrolle“vor. Dieser verwahrte sich gegen ausländisc­he Einmischun­g. „Polen ist ein stolzes Land“, sagte er. „Erteilen Sie uns keine Lehren.“

„Ich kämpfe um den Rechtsstaa­t.“

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Małgorzata Gersdorf, Richterin

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