Das große Blühen
Besuch in steirischen Gärten. Die Blütenpracht und die Vielfalt locken im Sommer nicht nur Bienen und Schmetterlinge an.
Angefangen hat alles mit Charles Austin. Christine Fischer aus Edelsgrub kann sich noch genau an den betörenden Duft bei der ersten Begegnung erinnern. Doch sie spricht weder vom berühmten Jazzsänger noch vom amerikanischen Olympiasieger. Gemeint ist die gleichnamige Strauchrose, die sie vor 20 Jahren für ihren Garten kaufte. Seitdem gehört ihre Liebe den Rosen. „Kein Baum war mehr sicher vor mir“, sagt die Gartenbesitzerin und schmunzelt. Inzwischen hat eine Rose bereits den zwölf Meter hohen Birnbaum erklommen und streckt ihre Ranken bereits zum nächsten Baum aus. Zirka 250 verschiedene Rosenarten haben sich rund um die Bauernhäuser ausgebreitet und verschmelzen zu einem bunten Bild. Es sei Monet, der sie bei ihren blühenden Kunstwerken inspiriere, sagt Fischer. Dabei ist ihr wie dem großen Impressionisten die Harmonie der Farben wichtig. „Jede meiner Blumeninseln hat ein bestimmtes Farbschema“, erklärt sie. Zum Einsatz kommen nicht nur Blüten, sondern auch Strukturen der Blätter, wie jene des Purpurfenchels. Dieser wirkt mit seinem rötlichen Laub sehr filigran. „Wenn sich eine Rose durch das Laub eines ausgewachsenen Fenchels rankt, ist das für mich ein toller Anblick.“
Ein paar Schritte weiter ist ein Beet ganz in Gold gehalten – mit Goldholunder und Goldtropfen. „Ich versuche durch eine Farbe eine andere hervorzuheben. Durch das Gold rücken die lila Rosen auf der linken Seite stärker in den Fokus.“Ohne einen hellen Hintergrund könnte die lila Blütenfarbe nie so leuchten. Die grünen Freiräume zwischen den Beeten sind dafür da, dem Auge eine kleine Pause zu gönnen. Schon im Juni neigen sich die blühenden Rosen wie riesige Theatervorhänge bis auf den Boden. Dann können Naturfreunde den privaten Garten besichtigen.
Auch bei Christine Vogeltanz in Lannach ist dann Hochsaison. Vor ihrem Haus scheinen die Rosen einen endlos langen rosafarbenen Teppich zu bilden. Längst sind die rund 320 historischen Rosen eins mit der Landschaft. Selten ist ein Stückchen Boden zu sehen. Ansonsten strotzt jede Ecke vor üppigen Pflanzen. „Weil mein Garten so naturbelassen ist, habe ich das Gefühl, die Pflanzen beschützen sich gegenseitig. Sie brauchen die Gesellschaft der anderen, wie wir Menschen“, sagt Vogeltanz.
Zwei Jahrzehnte hat sie gebraucht, um diesen romantischen Ort mit Nischen und Sitzbänken zum Tagträumen oder Dichten zu schaffen. Immer wieder dekoriert sie Bereiche neu, damit die Natur ihre volle Schönheit entfalten kann. Alles wird mit Bedacht arrangiert, von den Steintieren im Wald bis hin zur Milchkanne beim Fenster.
Ganz schön bunt geht es bei Alfred Zenz zu. Seit über 50 Jahren sammelt er Alpenpflanzen aus der ganzen Welt und zeigt in seinem Stein-Schaugarten in Raaba-Grambach, was alles daraus entstehen kann. Auf einem Quadratmeter wachsen bis zu fünfzehn unterschiedliche Pflanzen. Warzenkraut, Igelnelke, Mauerpfeffer – über jede einzelne kann der Gärtnermeister eine Geschichte erzählen. Auf jedem Kontinent ist er mit Naturfreunden vernetzt und gibt zu Jahresbeginn eine lange Samentauschliste heraus – für viele eine unerschöpfliche Inspirationsquelle.
Bananenstauden und Kakis, solch exotische Pflanzen wiederum hegen und pflegen Edith und Hermann Hiebler in ihrem Garten. Mit viel Feingefühl sind in Kumberg verschiedene grüne Räume entstanden, die fließend ineinander übergehen. Die Gartenbesitzerin hat ein Gespür für Beetgestaltung und verbindet geschickt Tradition mit modernen Elementen.
„Ich mag klare Formen und brauche Ordnung“, sagt Hiebler. Ein Hingucker: die 22 Meter lange Rabatte. Ein anderes besonderes Plätzchen ist beim alten Obstbaum beim Haus. Die Aussicht reicht weit über die oststeirische Weinlandschaft. Doch es ist Bobbie James, die die Blicke auf sich zieht. Die Kletterrose verwandelt den Baum in eine meterhohe blühende Skulptur und bringt die Herzen der Besucherinnen zum Schmelzen. Welch exquisiter Augenschmaus ein üppig blühender Garten ist, ist bekannt. Doch im Sulamithgarten in der Oststeiermark, auf rund 1000 Metern Seehöhe, wird auch dem Gaumen keine Ruhe gegönnt. Am Wegesrand findet sich immer etwas zum Kosten. Zumindest in Begleitung von Sissy Sichart. Die Kräuterfrau hat mitten im Almenland, zwischen Birkfeld und Weizklamm, ein orientalisches Gartenparadies erschaffen. Ein höchst raffiniertes dazu, Bogen, Türen, Spiegel und Zäune wecken Spieltrieb und Entdeckergeist. Doch so ein Garten kann nicht im Schnelldurchlauf erobert werden, erst durch Geduld entstehen Genuss und Wissen.
Und auch Sichart kommt nur ein paar Schritte weit, dann sticht ihr wieder eine spannende Pflanze ins Auge. „Da, schau“, ruft sie und zupft etwas unscheinbares Grünes zwischen den Steinen hervor. „Das Unkraut, das um einen herumwächst, ist meistens genau das, was der Körper braucht“, ist sie überzeugt und ergänzt: „Keine einzige Kuh hat jemals ein Kräuterbuch gelesen und trotzdem weiß sie intuitiv, was schmeckt und guttut.“Wer braucht also exotische Wundermittel? Die wichtigsten steirischen Heilbehelfe wachsen direkt vor der Haustür – nicht zuletzt Kürbis und Wein.