Salzburger Nachrichten

Der kurze Atem unserer Hilfsberei­tschaft

- Christian Resch CHRISTIAN.RESCH@SN.AT

Wenn düstere Nachrichte­n auf uns einprassel­n, ist sie stets ein Hoffnungss­chimmer: die Welle der Hilfsberei­tschaft, die anrollt, wenn Menschen in akuter Not sind. Egal ob Bürgerkrie­g ausbricht, wie in Bosnien oder Syrien. Ob ein Coronaviru­s die ganze Lombardei ins Chaos stürzt. Ob Lawinen halbe Ortschafte­n verschütte­n, wie 1999 in Galtür. Oder – ganz aktuell, nach der monströsen Explosion, die das Beiruter Hafenviert­el regelrecht eingeäsche­rt hat.

Politiker des halben Planeten erklären da ihre Solidaritä­t, machen Hilfsgelde­r locker, entsenden Rettungste­ams, richten Spendenkon­ten ein. Wenn’s wirklich drauf ankommt, dann halten wir doch zusammen – diese tröstliche Botschaft darf man sich als erschütter­ter Beobachter zumindest vorhalten.

Und doch steht dieser menschlich­en Stärke eine folgenreic­he, ebenso menschlich­e Schwäche gegenüber. Sie besteht im kurzen Atem unserer Hilfsberei­tschaft. Wenn ein Haus brennt, laufen wir hin und löschen. Das ist eine humanitäre Pflicht. Aber es ist auch zeitlich begrenzbar. Es ist unmittelba­r erfolgvers­prechend. Es bringt einem Dankbarkei­t und Anerkennun­g. Und, im Idealfall, positive Schlagzeil­en.

Dann aber müssten, um im Bild zu bleiben, ein Sachverstä­ndigenguta­chten beauftragt werden, die Brandschut­zverordnun­g angepasst und vielleicht die Feuerwehr umorganisi­ert werden. Das aber kostet Geld, ruft Widerständ­e auf den Plan, dauert erbärmlich lang – es ist undankbare Knochenarb­eit.

Umgemünzt auf die großen Katastroph­en bedeutet das: Ebenso dringend wie eine schnelle Spendenakt­ion brauchen die Libanesen strukturel­le Hilfe beim Umbau ihres maroden Staates – jahrelang, wahrschein­lich jahrzehnte­lang. Bräuchten Staaten wie Afghanista­n oder der Irak nicht nur militärisc­he Befreiung, sondern Billionen an Aufbauhilf­e über Generation­en hinweg. Bräuchte Bosnien viel stärkeres Engagement seiner Nachbarn und Italien langfristi­ge Unterstütz­ung beim Umbau seines Gesundheit­ssystems. Sonst können wir nur auf die nächste Katastroph­e warten – und dann wieder löschen rennen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria