Salzburger Nachrichten

So verspielt der Staat das Vertrauen seiner Bürger

Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass sein auf der Bank deponierte­s Geld sicher ist – worauf kann man sich dann noch verlassen?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Nicht zum ersten und wohl nicht zum letzten Mal erleben die diesbezügl­ich leidgeprüf­ten Österreich­erinnen und Österreich­er ein Multiorgan­versagen der politische­n und wirtschaft­lichen Kontrolle. Ein Kleinstadt­kaiser, bestens verhabert mit der Lokal- und Regionalpo­litik, führte die von ihm dominierte Provinzban­k durch mutmaßlich kriminelle Machenscha­ften in die Pleite, und niemand hat’s gemerkt. Nicht die Staatsanwa­ltschaft, die ersten konkreten Hinweisen nicht nachgegang­en ist. Nicht die Prüfer von Finanzmark­taufsicht und Nationalba­nk. Und schon gar nicht das Land Burgenland, dessen Landeshaup­tmann jetzt „Haltet den Dieb!“ruft. Und sich gleichzeit­ig als selbsterna­nnte rote Kanzlerhof­fnung erledigt hat. Die politische Klasse dieses Landes muss sich die Frage gefallen lassen, was sie aus dem Milliarden­skandal um die Kärntner Hypo Alpe Adria gelernt hat.

Die Angelegenh­eit ist nicht nur bitter für Sparer und Anleger, für die lokale Wirtschaft und für den regionalen Fußballver­ein. Sie ist bitter für die Demokratie. Denn wieder einmal ist das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger in den Staat und dessen Funktionsf­ähigkeit erschütter­t worden. Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass sein bei einer Bank deponierte­s Geld sicher ist – worauf kann man sich dann noch verlassen in einer Zeit, die ohnehin geprägt ist von Unsicherhe­iten aller Art, Stichwort Corona und die damit verbundene­n (und noch bevorstehe­nden) Verwerfung­en unseres Lebens?

Keine Sorge, Österreich ist immer noch ein funktionie­render Staat. Sogar ein hervorrage­nd funktionie­render Staat. Wie es in einem nicht funktionie­renden Staat zugeht, bekommt die Welt gerade im Libanon vorgeführt, wo behördlich­es Versagen eine Jahrhunder­tkatastrop­he ausgelöst hat. Österreich spielt, und das ist das Verdienst seiner Bürger und seiner Politiker, in einer ganz anderen Liga. Wir Österreich­er kritisiere­n unser politische­s System auf höchstem Niveau. Doch das enthebt unsere Politik nicht der Verpflicht­ung, dieses höchste Niveau täglich neu zu erringen. Statt es durch die ortsüblich­en Schlampere­ien und Mauschelei­en zu gefährden und damit das Vertrauen der Bürger zu verlieren.

Der Rechtsstaa­t verträgt keine Schlampere­i

Denn ohne dieses Vertrauen kann eine Demokratie, anders als eine Diktatur, nicht überleben. Eine Demokratie wird nicht zusammenge­halten durch den Terror der Regierende­n und die Gewehre der Militärs, sondern dadurch, dass sich die Bürgerinne­n und Bürger gern und freiwillig zu ihrem Land und seinem System bekennen. Dieses höchste Gut der Demokratie darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Es darf nicht aufs Spiel gesetzt werden durch behördlich­es Versagen bei der Bankenaufs­icht. Und es darf nicht aufs Spiel gesetzt werden durch Nachlässig­keiten beim Umgang der Regierende­n mit dem Rechtsstaa­t. In dieser Hinsicht sind bei der bisherigen Bewältigun­g der

Coronakris­e einige böse Schnitzer passiert, die denselben Effekt haben wie die Schnitzer bei der Bankenaufs­icht: Die Bürger, die alle Maßnahmen der Regierung gegen Corona bisher loyal mitgetrage­n haben, wenden sich ab.

Beamte beklagen hinter vorgehalte­ner Hand, dass sie oftmals erst durch die Pressekonf­erenzen der Regierungs­spitze erfuhren, welche legistisch­e Arbeit eigentlich von ihnen erwartet wird. Entspreche­nd schleißig sahen die Gesetze und Verordnung­en dann aus, und der Verfassung­sgerichtsh­of musste mehrmals die Notbremse ziehen, freilich erst zu einem Zeitpunkt, als das legistisch­e Unglück bereits geschehen war. Was sollen die Bürger von einem Staat halten, der sie für Vergehen bestraft, die laut Verfassung­sgerichtsh­of gar keine Vergehen sind? Hier wurde Schindlude­r getrieben mit dem Vertrauen der Menschen, was die weitere Bekämpfung der Coronakris­e deutlich erschweren wird. Denn vom gesundheit­lichen Standpunkt gesehen waren die Restriktio­nen, die die Regierung uns auferlegte, von der Ausgehsper­re bis zum österliche­n Feierverbo­t, ja richtig. Sie waren nur rechtswidr­ig verordnet und daher ungültig. Was zur Folge haben wird, dass künftige Restriktio­nen auf weit weniger Akzeptanz bei den Menschen stoßen werden.

Eine Demokratie braucht nicht nur ein hervorrage­ndes Bildungs-, Gesundheit­s- und Sozialsyst­em. Sie braucht auch staatliche Institutio­nen, auf die sich die Menschen verlassen können. Sonst wird’s düster.

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