So verspielt der Staat das Vertrauen seiner Bürger
Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass sein auf der Bank deponiertes Geld sicher ist – worauf kann man sich dann noch verlassen?
Nicht zum ersten und wohl nicht zum letzten Mal erleben die diesbezüglich leidgeprüften Österreicherinnen und Österreicher ein Multiorganversagen der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle. Ein Kleinstadtkaiser, bestens verhabert mit der Lokal- und Regionalpolitik, führte die von ihm dominierte Provinzbank durch mutmaßlich kriminelle Machenschaften in die Pleite, und niemand hat’s gemerkt. Nicht die Staatsanwaltschaft, die ersten konkreten Hinweisen nicht nachgegangen ist. Nicht die Prüfer von Finanzmarktaufsicht und Nationalbank. Und schon gar nicht das Land Burgenland, dessen Landeshauptmann jetzt „Haltet den Dieb!“ruft. Und sich gleichzeitig als selbsternannte rote Kanzlerhoffnung erledigt hat. Die politische Klasse dieses Landes muss sich die Frage gefallen lassen, was sie aus dem Milliardenskandal um die Kärntner Hypo Alpe Adria gelernt hat.
Die Angelegenheit ist nicht nur bitter für Sparer und Anleger, für die lokale Wirtschaft und für den regionalen Fußballverein. Sie ist bitter für die Demokratie. Denn wieder einmal ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat und dessen Funktionsfähigkeit erschüttert worden. Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass sein bei einer Bank deponiertes Geld sicher ist – worauf kann man sich dann noch verlassen in einer Zeit, die ohnehin geprägt ist von Unsicherheiten aller Art, Stichwort Corona und die damit verbundenen (und noch bevorstehenden) Verwerfungen unseres Lebens?
Keine Sorge, Österreich ist immer noch ein funktionierender Staat. Sogar ein hervorragend funktionierender Staat. Wie es in einem nicht funktionierenden Staat zugeht, bekommt die Welt gerade im Libanon vorgeführt, wo behördliches Versagen eine Jahrhundertkatastrophe ausgelöst hat. Österreich spielt, und das ist das Verdienst seiner Bürger und seiner Politiker, in einer ganz anderen Liga. Wir Österreicher kritisieren unser politisches System auf höchstem Niveau. Doch das enthebt unsere Politik nicht der Verpflichtung, dieses höchste Niveau täglich neu zu erringen. Statt es durch die ortsüblichen Schlampereien und Mauscheleien zu gefährden und damit das Vertrauen der Bürger zu verlieren.
Der Rechtsstaat verträgt keine Schlamperei
Denn ohne dieses Vertrauen kann eine Demokratie, anders als eine Diktatur, nicht überleben. Eine Demokratie wird nicht zusammengehalten durch den Terror der Regierenden und die Gewehre der Militärs, sondern dadurch, dass sich die Bürgerinnen und Bürger gern und freiwillig zu ihrem Land und seinem System bekennen. Dieses höchste Gut der Demokratie darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Es darf nicht aufs Spiel gesetzt werden durch behördliches Versagen bei der Bankenaufsicht. Und es darf nicht aufs Spiel gesetzt werden durch Nachlässigkeiten beim Umgang der Regierenden mit dem Rechtsstaat. In dieser Hinsicht sind bei der bisherigen Bewältigung der
Coronakrise einige böse Schnitzer passiert, die denselben Effekt haben wie die Schnitzer bei der Bankenaufsicht: Die Bürger, die alle Maßnahmen der Regierung gegen Corona bisher loyal mitgetragen haben, wenden sich ab.
Beamte beklagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie oftmals erst durch die Pressekonferenzen der Regierungsspitze erfuhren, welche legistische Arbeit eigentlich von ihnen erwartet wird. Entsprechend schleißig sahen die Gesetze und Verordnungen dann aus, und der Verfassungsgerichtshof musste mehrmals die Notbremse ziehen, freilich erst zu einem Zeitpunkt, als das legistische Unglück bereits geschehen war. Was sollen die Bürger von einem Staat halten, der sie für Vergehen bestraft, die laut Verfassungsgerichtshof gar keine Vergehen sind? Hier wurde Schindluder getrieben mit dem Vertrauen der Menschen, was die weitere Bekämpfung der Coronakrise deutlich erschweren wird. Denn vom gesundheitlichen Standpunkt gesehen waren die Restriktionen, die die Regierung uns auferlegte, von der Ausgehsperre bis zum österlichen Feierverbot, ja richtig. Sie waren nur rechtswidrig verordnet und daher ungültig. Was zur Folge haben wird, dass künftige Restriktionen auf weit weniger Akzeptanz bei den Menschen stoßen werden.
Eine Demokratie braucht nicht nur ein hervorragendes Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem. Sie braucht auch staatliche Institutionen, auf die sich die Menschen verlassen können. Sonst wird’s düster.