Wie kann ein Neustart für den Libanon aussehen?
Am Donnerstag besuchte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Beirut. Er mahnte die Politik zu Reformen – die der Staat bislang aufgeschoben hat.
SN: Immer wieder heißt es, der Libanon brauche Reformen. Welche?
Malte Gaier: In einem ersten Schritt müsste es Sparmaßnahmen für die öffentliche Verwaltung geben. Die Stromversorgung müsste reformiert werden. Oft kommt es zu stundenlangen Stromausfällen. Wir haben eine Wirtschaft im freien Fall, Hyperinflation, Massenarbeitslosigkeit, Versorgungsschwierigkeiten. Da ist nun vor allem die politische Elite gefragt.
SN: Aber diese ist nach der Explosion gar nicht in Erscheinung getreten.
Ja, wir vermissen hier Zeichen, dass staatliche Institutionen, wie die libanesische Armee, aktiv mithelfen. Sei es auch nur beim Aufräumen und Fegen der Straßen.
Das wird alles auf ziviler Ebene von Studenten und Schülern organisiert. Überall sieht man solche Putztrupps. Der Staat scheint da bislang noch in keiner Weise mitzuhelfen.
SN: Müsste es nicht auch einen politischen Neustart geben?
Ich halte es für illusorisch, dass die politische Elite, die in demokratischen Wahlen gewählt wurde, zurücktritt. Doch eigentlich bräuchte es gerade jetzt eine politische Führung, die diese Krise managt.
SN: Wie könnte ein Neustart für den Libanon gelingen?
Das ist die Frage der Stunde. Aktuell braucht es humanitäre Hilfe für die Bevölkerung. So herrscht ein Mangel an Medikamenten. Vieles andere wird sich Laufe der kommenden Wochen zeigen. Es gärt in der Bevölkerung und die Proteste sind neu aufgeflammt. Das ist ein großer unbekannter Faktor. Was man aber wohl sagen kann: Dieses tragische Ereignis war ein Weckruf, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.
Zur Person: Malte Gaier leitet die Konrad-Adenauer-Stiftung in Beirut.