Was ist gesund an schlechter Laune?
Être de mauvais poil, c’est bon pour la santé
SPIEGEL: Heute schon aufgeregt? Andrea Gerk: Gleich nach dem Aufstehen, als sich meine Töchter für die Schule fertig machen sollten. Die eine wollte sich nicht kämmen, die andere nicht anziehen. Da war ich ziemlich gereizt. Und ich fluche beim Autofahren. Da benutze ich Vokabeln, die ich hier besser nicht wiederhole.
2. SPIEGEL: Und was soll gut daran sein? Gerk: Schlechte Laune ist eine Wundertüte. So ein kleiner Sprengsatz, der die öde Alltagsroutine erträglicher macht. Fördert die Kre- ativität, macht wach, steckt voller Energie. Newton und Schopenhauer waren Genies – und legendär schlecht gelaunt. Jeder sollte sich hin und wieder den Luxus gönnen, die geltenden Benimmregeln zu verweigern und richtig schön grantig zu sein.
3. SPIEGEL: Damit fällt man zumindest auf. Gerk: Wir leben in einer Zeit, in der jeder nur noch glücklich, ausgeglichen und achtsam sein will. Viele Leute verstellen sich, überspielen ihren Unmut, weil schlechte Laune ein verpöntes Gefühl ist. Sollte man nicht tun. Wer schimpft, ist ehrlich.
4. SPIEGEL: Welchen Zweck hat schlechte Laune? Gerk: Schlechte Laune ist ein Schutzschild, ein Abstandshalter. Wer schlechte Laune hat, signalisiert, dass er in Ruhe gelassen werden möchte. Das ist ja das Schlimmste, was es gibt: Man ist so richtig mies drauf, dann kommt jemand an und fragt: „Was hast du denn? Kann ich was für dich tun?“Schrecklich. O Andrea Gerk, Lob der schlechten Laune, KEIN & ABER, 304 Seiten.